Es ist wahrlich keine einfache Aufgabe, ein Kind grosszuziehen. Pflegeeltern widmen sich Kindern, die nicht in ihrem eigenen Heim bleiben können. Sie geben ihnen ein Dach über dem Kopf, Essen und Zeit. Wie viel ist diese Zeit wert?
Im Kanton Wallis ist die Zeit vergleichsweise nicht sehr wertvoll. Gerade mal 45 Franken kriegt ein Pflegefamilie pro Tag für die Betreuung eines Kindes – inklusive Kost und Logis.
Die Schweiz ist ein Flickenteppich
In anderen Kantonen ist die Entschädigung meist höher, teilweise weniger. Allerdings haben die Kantone je nachdem auch andere Regelungen, was die Betreuung betrifft.
Teilweise bezahlt man mit dem Tagesansatz Kost und Logis der Kinder, teilweise ist darin zusätzlich auch die Betreuungsentschädigung enthalten.
«Ein interkantonaler Vergleich ist deshalb schwierig», so Karin Meierhofer, die Geschäftsleiterin der Pflege- und Adoptivkinder Schweiz (PACH). Ihre Organisation fordert schon lange Gleichbehandlung der Eltern. «Dennoch erachte ich die Walliser Entschädigung vergleichsweise als tief.»
Ein Beispiel
Marcellus Pillen lebt in Naters. Trotz kleinem Lohn bietet er zusammen mit seiner Partnerin einem Jugendlichen Platz: «Man kann den Teenager ja nicht einfach in eine Ecke stellen», so Pillen, ihn zu beschäftigten brauche Zeit und die müsse vergütet werden.
45 Franken sind eine Frechheit.
Seit 16 Jahren nimmt er Pflegekinder bei sich auf. Die meisten sind älter als 12 Jahre und bei den meisten liefen die ersten Lebensjahre ziemlich schief. Sie erlebten Missbrauch, Vernachlässigung oder Sucht.
Wer kümmert sich?
Im Oberwallis sind insgesamt 34 Familien bereit, sich um ein Pflegekind zu kümmern. «Diese Kinder brauchen Spezialbetreuung», sagt Nicole Carron. Sie ist Gründungsmitglied des Vereins Pflegefamilien Oberwallis. Die mickrige Entschädigung verkenne die Realität. «Man betreut die Kinder natürlich gerne. Aber wenn man selbst Geld beisteuern muss, ist das nicht korrekt.» Dass Pflegeeltern ins eigene Portemonnaie greifen, das ist trotzdem üblich.
Pflegevater Marcellus Pillen gehts nicht ums Geld: «Es ist ein Beruf und eine Berufung.» Für ihn ist die Aufgabe als Pflegevater kein Hobby. Seine Partnerin arbeitet nicht mehr ausser Haus. Er selbst arbeitet in einem kleinen Teilzeitpensum. Nur so haben die beiden genügend Zeit für die Jugendlichen, die sie zum Teil für einige Wochen oder auch mehrere Monate bei sich aufnehmen.
Die Oberwalliser Pflegefamilien haben sich zu einem Verein zusammengeschlossen. Sie sammeln Geld, damit sie ihren Pflegekindern ab und zu auch mal Musikunterricht oder Sporttraining ermöglichen können. Denn die Zusatzpauschale des Kantons reicht dafür nicht. Dazu kommt: Manchmal braucht es schnelle Anschaffungen, zum Beispiel einen Kindersitz fürs Auto. Auch da hilft das Geld, das der Verein sammelt.
Unterstützung gefordert
Pflegefamilien werden von Fachstellen begleitet. Sozialarbeiterinnen und -arbeiter sollen sich mehr mit den Familien austauschen, so die Forderung. Und die Pflegeeltern wollen ernst genommen werden.
«In einem Heim kosten die Jugendlichen rund 300 Franken», rechnet Nicole Carron zum Vergleich vor. Das sei ein Missverhältnis, «ein Heim ist keine Familie.»
Auch die nationale Organisation PACH fordert verbesserte Bedingungen: «Nur wenn die Bedingungen für Pflegeeltern ‹gut› sind, findet man auch geeignete und motivierte Pflegeeltern», so Karin Meierhofer.