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Kirche und «Ehe für alle» «Der nächste logische Schritt in einem langen Prozess»

Gleichgeschlechtliche Ehe entspreche Gottes Schöpfungswillen, sagt Gottfried Locher in einem Interview mit dem Tagesanzeiger. Als Präsident des Schweizerisch Evangelischen Kirchenbundes (SEK) ist er seit 2011 der oberste Reformierte der Schweiz. Theologin Isabelle Noth begrüsst seine klare Haltung. Sie erzählt im Gespräch über den Gesinnungswandel in der Kirche.

Isabelle Noth

Evangelische Theologin

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Noth ist Professorin für Seelsorge, Religionspsychologie und Religionspädagogik an der Universität Bern.

SRF News: Was halten Sie von den Aussagen von Gottfried Locher?

Isabelle Noth: Ich habe das Interview mit Freuden gelesen. Seine Analyse ist sehr treffend. Schaut man sich die geschichtliche Entwicklung der vergangenen 25 Jahre in der reformierten Kirche an, ist es ein logischer Schritt.

Ist das ein Schritt in Richtung Anerkennung der «Ehe für alle», wenn der oberste Reformierte solche Aussagen macht?

So funktionieren wir nicht. Selbstverständlich wird es Leuten helfen, sich dieser Anschauung anzuschliessen. Aber am Schluss ist es ein demokratisches Gremium, das entscheidet. Viel interessanter ist aber, wie es zu dieser klaren Aussage gekommen ist.

Es waren eben gerade kirchliche Gespräche, die die Haltung gegenüber der gleichgeschlechtlichen Ehe befördert haben.

1993 hat sich im Emmental der erste Pfarrer als schwul geoutet. Er hatte sich in den Organisten verliebt. Das Thema fand damals zum ersten Mal medial Verbreitung. 1995 war dann die erste Segensfeier für ein schwules Paar, die Klaus Bäumlin in der Nydeggkirche in Bern abgehalten hat. Diese Segensfeier hat den gesellschaftspolitischen Diskurs überhaupt erst richtig befördert.

Kirche mit Regenbogen
Legende: «Wenn sich der Staat zur gleichgeschlechtlichen Ehe hin öffnet, sehe ich keinen Grund, warum die Kirche ihm nicht folgen sollte», sagt Gottfried Locher im Interview. Keystone

Mit Locher hat sich wieder ein Berner für die gleichgeschlechtliche Ehe ausgesprochen.

Genau. Die Schritte wurden zuallererst innerkirchlich initiiert. Es waren eben gerade kirchliche Gespräche, die diese Haltung befördert haben. Ich war von 1994 bis 1998 im Pfarramt, und wir haben nicht mehr darüber diskutiert, ob Homosexuelle eine solche Segensfeier erhalten sollen oder nicht.

Die ersten Schritte wurden innerkirchlich initiiert.

Wir haben plötzlich darüber diskutiert, wie man so etwas konkret umsetzen soll. Das war der entscheidende Perspektivenwechsel in der Kirche: Nicht mehr die Frage ob überhaupt, sondern wie.

Ganz einig sind sich die evangelischen Kirchen aber nicht. Im November ist eine Delegiertenversammlung geplant, wo man sich in dieser Frage einigen will. Hat Locher etwas vorweggenommen?

Es ist die Funktion eines Präsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, dass er mit einer klaren Haltung vorausgeht. Dass er aber auch selbstverständlich sagt: Am Schluss bestimmt die Delegiertenversammlung.

Gibt es für die Konservativen keinen Platz mehr innerhalb des SEK?

Das steht nicht zur Debatte. Der SEK besteht aus verschiedenen Richtungen. Es ist ja auch auf staatlicher Ebene so: Diejenigen, die bei einer demokratischen Abstimmung verloren haben, gehören danach auch immer noch zur Gesellschaft. Genau so funktioniert es auch in den Kirchen.

Zwei sich küssende Frauen
Legende: «Ich hoffe, der SEK zieht bei der gleichgeschlechtlichen Ehe mit», sagt Theologin Noth. Keystone

Sie befürchten also keine Spaltung der evangelischen Kirchen?

Das wäre sowohl aus theologischer Sicht wie auch aus Glaubensüberzeugung heraus sehr eigenartig. Es handelt sich bei dieser Frage nicht um ein Sakrament, sie betrifft nicht den Kern unseres Glaubens.

Erwarten Sie, dass die Befürwortung der gleichgeschlechtlichen Ehe im SEK durchkommt?

Ich hoffe es. Wenn ich die historische Entwicklung der evangelischen Kirchen beobachte denke ich, dass das die logische Folge eines langen Prozesses des sozialen Wandels ist.

Das Gespräch führte Teresa Delgado.

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