In der Welt der internationalen Politik und Diplomatie legt man die Worte am liebsten auf die Goldwaage. Denn die Erfahrung zeigt: Zu schnell wird etwas falsch verstanden oder als Affront aufgefasst.
Auch Bundesräte und Spitzenbeamte in Bern halten sich gerne an diese Devise. Klartext hingegen sprach neulich Staatssekretärin Pascale Baeriswyl. Vor einem kleinen Kreis von Experten zeichnete sie ein äusserst düsteres, ja bedrohliches Bild der Weltlage.
Es gibt heute viele Hotspots auf der Welt, wo jederzeit der Funke überspringen könnte – und es kommt zur Eskalation.
Nun tut sie das auch öffentlich: Gegenüber Radio SRF sagt Baeriswyl: Die Welt sei erheblich gefährlicher geworden. Dessen seien sich viele noch immer zu wenig bewusst. «Es gibt heute viele Hotspots auf der Welt, wo jederzeit der Funke überspringen könnte – und es kommt zur Eskalation.»
Die guten Zeiten sind vorbei
Situationen mit Sprengkraft, im wörtlichen Sinn, gibt es zahlreiche. Zum Beispiel in Korea, mit dem neuerdings atomar bewaffneten Nordkorea. Oder im Kaschmir-Konflikt, wo sich die beiden verfeindeten Atommächte Indien und Pakistan gegenüberstehen.
Spannungen gibt es jedoch auch viel näher bei uns, erklärt die Spitzendiplomatin: «Es gibt beispielsweise in den baltischen Staaten und rund um Russland ein gefährliches Aufrüsten.»
Die guten Zeiten nach dem Ende des Kalten Kriegs, nach dem Mauerfall scheinen einstweilen vorbei. Als Historikerin zögert Baeriswyl, von historischen Wendepunkten zu sprechen.
Doch die Wende zum Negativen in der Sicherheitspolitik und der Beginn einer grossen Vertrauenskrise lasse sich, so findet sie, schon zeitlich situieren: «Ein Moment, den mal als Wendepunkt bezeichnen kann, war die Finanzkrise 2008. Völkerrechtlich betrachtet war die Annexion der Krim 2014 ein solcher.»
Neue Gräben mitten durch Europa
Damals sei ein Misstrauen manifest geworden, auch ein Auseinanderfallen einer europäischen Integration, die Russland eingeschlossen hätte.
Seither wurde kaum noch ein wichtiger Abrüstungs- oder Rüstungskontrollvertrag mehr geschlossen. Im Gegenteil: Bestehende Verträge wurden gekündigt oder werden nicht verlängert. Neue werden kaum noch geschlossen. «Es gibt sehr, sehr wenig Bereitschaft, bestehende Abkommen zu modernisieren oder zu bewahren. Das ist ein Grund zur Sorge.»
Die Bereitschaft, Völkerrechtsverletzungen zu begehen, hat zugenommen.
Die Schuld liegt nicht in einem Land oder bei einer Person. Doch eine gewisse Verantwortungslosigkeit vieler Staats- und Regierungschefs scheint offenkundig: «Zum Teil sind es einzelne Leader, die bereit sind, unilateral zu handeln. Auch die Bereitschaft, Völkerrechtsverletzungen zu begehen, hat zugenommen.»
Die Ärmel hochkrempeln
Auf der anderen Seite herrscht weitherum gegenseitiges Misstrauen. Entsprechend begrenzt seien die Bemühungen, gemeinsam nach Lösungen zu suchen: «Die Bereitschaft Kompromisse zu finden, etwas abzugeben, um etwas zu kriegen – das müssen sich die Leader hinter die Ohren schreiben», fordert die Staatssekretärin.
Die Misere ist also offenkundig. Lässt sich der zurzeit negative Trend umkehren? «Es ist keine Frage von Optimismus oder Pessimismus. Es ist eine Frage von harter Arbeit», antwortet Baeriswyl. Und da könne die Schweiz als Vermittlerin einiges beitragen. Und tue das auch.