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Klimastrategie Kanton Zürich Schnell, aber ohne Garantie: Zürichs unscharfer Netto-Null-Weg

Der Kanton Zürich will im Idealfall 2040, spätestens aber 2050 klimaneutral sein. Für einige Parteien ist die Klima-Strategie mutlos.

Der Kanton Zürich bezeichnet die Klimakrise als eine der grössten Herausforderungen der Neuzeit. Deshalb will der Kanton seinen Beitrag leisten, um Hitzeperioden, Dürren, aber auch Hochwasser und Unwetter zu verhindern. Die dafür nötigen Schritte zeigt er nun in seiner Klima-Strategie auf. Eine Strategie, die vorsieht, das Netto-Null-Ziel bis spätestens 2050, wenn möglich aber schon 2040, zu erreichen.

Eine Grafik, die aufzeigt, in welchen Schritten der Kanton Zürich bis 2040 klimaneutral werden will.
Legende: Der Zürcher Wunsch-Absenkpfad zu Netto-Null. ZVG Awel

Den grössten Hebel sieht der Kanton Zürich bei den Gebäuden und beim Verkehr. Diese beiden Bereiche sind für rund 70 Prozent der Zürcher Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Massnahmen sind gemäss Kanton dort am dringendsten. Ziel ist es, dass bei Gebäuden und Verkehr der CO2-Ausstoss um 95 Prozent reduziert wird – im Vergleich mit dem Jahr 1990. Um das zu erreichen, will der Kanton Zürich unabhängiger werden von Öl und Gas.

Sehr ambitioniertes Ziel

«Die Schweiz hat sich zum Ziel gesetzt, Netto-Null bis 2050 zu erreichen. Wir wollen noch ein wenig schneller sein», sagt der Zürcher Baudirektor Martin Neukom (Grüne). Dies sei ambitioniert und es brauche dafür viele Massnahmen seitens Politik, Wirtschaft und Bevölkerung. Trotzdem: Einzigartig ist Zürichs Zielsetzung keineswegs. Der Kanton Basel-Stadt etwa will das Netto-Null-Ziel im Jahr 2040 verbindlich erreichen.

Porträt des Zürcher Baudirektors Martin Neukom.
Legende: Baudirektor Martin Neukom will in den Sektoren Gebäude und Verkehr möglichst schnell ohne Öl und Gas auskommen. Keystone

Ein grosser Teil der neuen Strategie hat der Kanton Zürich zudem bereits aufgegleist. Im letzten November hat das Zürcher Stimmvolk mit gut 62 Prozent Ja-Stimmen das neue Energiegesetz angenommen. In den nächsten Jahren werden somit die meisten der aktuell rund 120'000 Öl- und Gasheizungen durch Wärmepumpen und andere klimaneutrale Heizungssysteme ersetzt. Neues soll es in diesem Jahr im Bereich Verkehr geben: Der Kanton will den Ausbau der Ladestationen für Elektroautos mitfinanzieren.

Klima-Massnahmen in den Kantonen

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Aargau
Die Aargauer Regierung hat jüngst ihre neue Klimastrategie präsentiert. Darin sind 85 Massnahmen aufgeführt. So soll es etwa grosse Solaranlagen auf Bauernhöfen geben und weniger Dieselbusse im öffentlichen Verkehr.

Appenzell Ausserrhoden
Im Kanton Appenzell Ausserrhoden wird derzeit das Energiegesetz revidiert. Ende März gibt es die zweite Lesung im Parlament. Ein strittiger Punkt ist, wie weit die Vorschriften beim Ersatz von Heizungen gehen sollen.

Bern
Der Kanton Bern ist vergleichsweise zurückhaltend bei seinem Energiegesetz und setzt eher auf Anreize statt Verbote. Mit ein Grund ist, dass das Volk in Vergangenheit mehrere konkrete Massnahmen abgelehnt hat, zuletzt eine ökologischere Autosteuer. So verzichtete das Kantonsparlament vor einigen Tagen im Beschluss des kantonalen Energiegesetzes darauf, den Ersatz von Öl- und Gasheizungen zu verbieten. Es hat ihn stattdessen an Bedingungen geknüpft.

Glarus
Die Glarner Landsgemeinde hat im letzten Jahr einen grossen klimapolitischen Pflock eingeschlagen. Heizungen mit fossilen Energieträgern sollen verboten werden. In Neubauten und beim Heizungsersatz dürfen keine Öl- oder Gasheizungen mehr eingebaut werden. Das deutlich verschärfte Energiegesetz ist nun in der Vernehmlassung.

Graubünden
Der Kanton Graubünden hat letztes Jahr einen sogenannten Green Deal beschlossen. Beim Aktionsplan geht es darum, dass die Treibhausgase deutlich gesenkt werden. Alles in allem würde der Green Deal oder die Klimaneutralität rund 1.8 Milliarden Franken kosten. Beschlossen wurde eine erste Etappe mit Massnahmen im Umfang von 68 Millionen Franken. In diesem ersten Schritt geht es vor allem darum, die Gebäude im Kanton energieeffizienter zu machen. Dafür wurden die Fördergelder für den Ersatz von Öl- und Gasheizungen sowie für Fassadensanierungen deutlich erhöht.

Luzern
Im Kanton Luzern legte die Regierung letzten Herbst einen 177-seitigen Klimabericht vor, der aufzeigt, wie das Ziel «Netto null» bis 2050 erreicht werden soll. Sie kündigte darin zwar an, bis 2026 fast 60 Millionen Franken aufzuwenden, um die CO2-Emissionen von Gebäuden zu senken, legte abgesehen davon aber eher strategische Ziele als konkrete Massnahmen fest. Nach zwei ausführlichen Debatten im Kantonsparlament zeigt sich nun, wie es weitergehen könnte: So beschloss das Parlament am Montag etwa zusätzliche Fördermittel für Fotovoltaikanlagen, ein Anreizsystem für ökologische Baumaterialien und eine Förderung der Elektromobilität. Die Regierung hat zudem den Auftrag erhalten, ein Verbot neuer Ölheizungen ab 2025 zu prüfen.

St. Gallen
Der Kanton St. Gallen hat Ende 2020 sein Energiekonzept 2021-2030 verabschiedet. Die Energieeffizienz soll dabei im Vergleich zum Jahr 2010 um 40 Prozent erhöht werden. Das Ziel ist es, die CO2-Emissionen zu halbieren, das Vergleichsjahr ist hier 1990. Für die Umsetzung der Massnahmen bis 2030 will der Kanton 84.3 Millionen Franken an Fördergeldern einsetzen.

Thurgau
In seinem Energiekonzept 2020-2030 definiert der Thurgau folgendes: Bei den Heizungen soll der Anteil fossiler Energieträger um ein Viertel zurückgehen (im Vergleich zu 2015), bei der Mobilität ein Drittel. Die Produktion erneuerbarer Elektrizität soll bis 2030 verdoppelt werden.

Kosten wird die neue Klima-Strategie des Kantons Zürich rund eine Milliarde Franken pro Jahr. Baudirektor Neukom will jedoch nicht von Kosten, sondern von Investitionen sprechen: «Jede Person, die von einer Ölheizung auf eine Wärmepumpe umsteigt, hat zuerst Mehrinvestitionen, die sie aber wieder zurückerhält, weil sie Betriebskosten spart.» Die Kosten von einer Milliarde Franken beziehe sich auf die ganze Gesellschaft. Den Anteil, der die Rechnung des Kantons belastet, bezifferte Neukom auf rund 20 Prozent.

Schwammig, kaum neue Impulse

Der Kanton Zürich verschärft seine Klimaziele also nur leicht. Er will 2040 klimaneutral sein, aber nicht um jeden Preis. Daran stört sich die SP. «Die schwammige Zielsetzung und das fehlende Bekenntnis zu wirksamen Massnahmen im Verkehrsbereich sind enttäuschend», heisst es in der Medienmitteilung. Und auch die Grünliberalen vermissen neue Impulse. Die Strategie ziele vor allem auf laufende Programme und Massnahmen.

Zufrieden zeigen sich hingegen die Grünen. Die Ziele seien ambitioniert, so die Partei von Regierungsrat Neukom. Es brauche aber ein Monitoring, um sicherzustellen, ob die Massnahmen erfolgreich seien. Auch die FDP unterstützt den Zürcher Klima-Weg, aber: «Klimaschutz-Massnahmen müssen immer ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltig sein», sagt FDP-Kantonal-Präsident Hans-Jakob Bösch. «Der Regierungsrat kommt mit der präsentierten Klima-Strategie diesen Forderungen zu weiten Teilen nach und sieht von radikalen Verboten ab. Das stimmt positiv.» Aber man dürfe dem Netto-Null-Ziel 2040 nicht alles unterordnen, heisst es bei der FDP.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 22.03.2022, 17:30 Uhr ; 

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