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Kokain in der Schweiz Wir Schweizer, wir Konsumenten

Warum wir die höchsten Kokainraten in unseren Städten haben.

Die Zahlen, die Anfang März publik wurden, lassen aufhorchen: Nirgends in Europa wird so viel Kokain konsumiert wie hierzulande. Zürich, Genf, Basel, Bern, St.Gallen – alle diese Städte sind europaweit in den Top Ten.

Allein in der Stadt Zürich sind es 1,7 Kilo Kokain pro Tag. «In der ganzen Schweiz sind es mehrere Tonnen pro Jahr für mehrere hundert Millionen Franken», sagt Frank Zobel von der Stiftung Sucht Schweiz, der an einer Untersuchung des Kokainmarktes im Kanton Waadt arbeitet.

Kokain wird zurzeit reiner und ist billiger als früher. Entsprechend öfter decken sich Interessierte mit dem Stoff ein. «Das Kokain ist in unseren Städten relativ leicht erhältlich. Es wird in vielen Schichten konsumiert, als Lifestyle-Droge in der Partyszene oder als Aufputschmittel für Leistungsbesessene.» 80 Prozent der Kokain-Kunden ziehen das weisse Pulver gelegentlich hoch, 20 Prozent konsumieren mehrmals pro Woche.

Wie gefährlich ist Kokain

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Die stimulierende Wirkung ist von kurzer Dauer. Klingt die Euphorie ab, fühlen sich viele depressiv und leer. In schweren Fällen kann es zu Herzkreislauf-Problemen, Ängste, Aggressionen, auch zu suizidalen Gedanken kommen. Bei starkem Konsum über die Nase werden die Nasenschleimhäute angegriffen. Der wiederholte Gebrauch der Droge führt zu «Kokainhunger», der über kurz oder lang in eine starke psychische Abhängigkeit mündet. Schädigend können vor allem auch die Substanzen sein, mit denen Kokain gestreckt wird. Fast alle Kokain-Angebote in der Schweiz enthalten Zusatzstoffe.

Die Schweiz, die Kokser-Nation? Soweit möchte Zobel nicht gehen. Aber: «Wir haben auch das Geld, um es uns zu leisten», so Zobel. Und es stimme das Angebot. Die Spirale ist da: Die Nachfrage zieht Verkäufer an, mehr Verkäufer steigern wiederum den Konsum. Kokain passt perfekt in unsere Zeit der Egozentrik: Man fühlt sich klüger, redet länger, hält länger durch. Die perfekte Optimierungsdroge für all jene, die für ihre Freizeit zu müde sind und trotzdem gut feiern möchten.

Allerdings, gefeiert wird auch anderswo in der Welt. Einfach mit günstigeren Substanzen? Crystal Meth, das synthetisch hergestellte Aufputschmittel wird in Europa zwar konsumiert, gilt jedoch auch in Berlin, Paris oder Wien als Randdroge, am ehesten wird das Methamphetamin in Osteuropa konsumiert. «Vielen ist Crystal schlicht zu stark», sagt Zobel. Wer den Stoff nimmt, kann schnell abhängig werden. Vielen Konsumenten ist der kaputte Meth-Raucher ein Begriff.

Ein bisschen anders sieht es bei Speed oder Ecstasy aus: Sie sind in manchen anderen europäischen Städten tatsächlich beliebter als in der Schweiz. Grundsätzlich aber: «Wir konsumieren in der Schweiz im Vergleich viel Aufputschmittel», sagt Zobel. Es gebe in der Schweiz traditionell einen grossen Drogenmarkt.

Geschichte des Kokains

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Der Kokastrauch war die heilige Pflanze der Inka, dessen Blätter gekaut oder als Teeaufguss noch heute von den Anden-Indios eingesetzt werden – zur Unterdrückung des Hungergefühls sowie zur Steigerung der Ausdauer und der Arbeitskraft. Im 18. Jahrhundert kam das Kokain nach Europa. Zuerst wurden die Wirkstoffe der Pflanze von der Pharmaindustrie genutzt, dann kam der Aufstieg zur Modedroge, Koko-Wein oder gemischt Koffein und Colanuss als Coca Cola. Später verlor die Limonade ihren Kokagehalt. Lange Zeit nur im Jet-Set oder in der Drogenszene als Mischdroge zusammen mit andern Substanzen konsumiert, kam Kokain vor 20 Jahren dann in der breiten Bevölkerung an.

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