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Koloniales Erbe Museum der Kulturen geht seiner Vergangenheit auf den Grund

Die Basler Geschichte ist eng mit kolonialen Netzwerken verbunden. Das Museum der Kulturen arbeitet diese nun vor den Augen des Publikums auf.

In einem hellen Ausstellungsraum liegen dutzende Objekte feinsäuberlich auf zahlreichen Tischen: Fellschuhe aus dem Kaukasus, ein thailändisches Schutzhäuschen, eine chinesische Götterstatue. «Hier werden einige der spannendsten und ungewöhnlichsten Objekte unserer Sammlung präsentiert – und öffentlich wissenschaftlich untersucht», sagt Museumsdirektorin Anna Schmid.

Etwa 50 Zentimeter hohe Statue einer stehenden Gottheit mit mehreren Armen auf einem Sockel.
Legende: Chinesische Tempelstatue im Fokus der Forschung: Basler Wissenschaftler brachten sie von einer Reise mit – nun wird ihre Herkunft und der Kontext der Sammlung kritisch untersucht. SRF / Hanna Girard

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen, wie diese Objekte nach Basel gelangten – und unter welchen Umständen. Kuratorin Isabella Bozsa deutet auf eine chinesische Götterstatue: «Diese grosse Kupferstatue stammt aus einem chinesischen Palast.»

Im 19. Jahrhundert sei sie von britischen und französischen Truppen aus einem Sommerpalast entwendet und anschliessend von einem Basler Seidenhändler erworben worden.

Ein Basler Seidenhändler erwarb die Statue und vermachte sie dem Museum – ein Objekt mit kolonialer Geschichte.
Autor: Isabella Bozsa Kuratorin am Museum der Kulturen Basel

Für Kuratorin Isabella Bozsa ist die Statue ein typisches Beispiel für die gewaltsame Aneignung von Kulturgütern. «Über den Handelspunkt Shanghai gelangte sie nach Europa. Der Basler Seidenhändler Adolf Krayer-Förster erwarb sie dort und vermachte sie dem Museum – ein Objekt mit kolonialem Kontext und komplexer Geschichte.»

Damals florierte der Handel mit solchen Objekten. Europäische Händler profitierten davon – auch die Schweiz, obwohl sie keine formelle Kolonialmacht war, war Teil dieser Netzwerke, sagt Bozsa.

Kuratorin.
Legende: Kuratorin Isabella Bozsa untersucht zahlreiche Objekte in der Sammlung des Museums der Kulturen auf ihre Herkunft. SRF / Hanna Girard

Die Herkunft der tausenden Objekte öffentlich im Museum zu untersuchen sei ein ganz bewusster Entscheid gewesen, sagt Museumsdirektorin Anna Schmid und betont: «Das ist keine Ausstellung, sondern ein offenes Labor.»

Basel entwickelt Modell zur Provenienzforschung

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Das Museum der Kulturen Basel (MKB) besitzt rund 340'000 Objekte – damit ist es das grösste ethnologische Museum der Schweiz. Gemeinsam mit dem Seminar für Kulturwissenschaft und Europäische Ethnologie der Universität Basel entwickelt das MKB eine Methode, um koloniale Belastungen systematisch zu erfassen. Ziel ist eine Standardisierung, die auch anderen Museen als Modell dienen kann.

Basel-Stadt stellt von 2023 bis 2026 jährlich eine Million Franken für die Erforschung der Herkunft von Museumsgut zur Verfügung.

Fast jedes Objekt trägt Spuren einer kolonialen Vergangenheit.
Autor: Anna Schmid Direktorin Museum der Kulturen Basel

«Unser Ziel ist es, über die Herkunft der Objekte zu sprechen und sichtbar zu machen, was das koloniale Erbe für uns als Museum bedeutet», so Schmid, denn: «Fast jedes Objekt trägt Spuren einer kolonialen Vergangenheit.»

Das Porträt zeigt Anna Schmid, Direktorin des Museums der Kulturen Basel.
Legende: Unter der Leitung von Anna Schmid wurde der Kultbaum «Thulu» an die Gamilaraay-Gemeinschaft zurückgegeben – für sie ein wichtiger Schritt in der Dekolonisierung der Basler Sammlung. zvg / Museum der Kulturen Basel

Bisher hat das Museum zwei Objekte restituiert – darunter den Kultbaum «Thulu» an die Gamilaraay-Gemeinschaft in Australien. Eine Replik steht heute im Museum.

Basel als Drehscheibe kolonialer Handelsströme

Bereits die nationale Ausstellung «kolonial» im Landesmuseum Zürich zeigte, wie stark Basel in koloniale Handelsnetzwerke eingebunden war.

Deutlich wird dies am Beispiel der Basler Welthandelsfirma Christoph Burckhardt & Cie.: Sie war führend im Handel mit sogenannten Indiennes-Stoffen – bedruckten Baumwolltextilien, die in Afrika als Tauschware dienten.

Ein Paar grob gearbeitete Fellschuhe mit dunkler, zotteliger Oberfläche liegt auf einem Tisch.
Legende: Die Fellschuhe wurden laut Museumsangaben einem Träger direkt von den Füssen abgekauft – auf einer Reise durch den Kaukasus. zvg / Museum der Kulturen Basel

Über ihre Tochtergesellschaft Bourcard Fils & Co. in Nantes beteiligte sie sich direkt am transatlantischen Sklavenhandel. Die Firma investierte in Sklavenschiffe und profitierte vom Dreieckshandel. Die Gewinne flossen zurück nach Basel – und trugen zum wirtschaftlichen Aufstieg der Stadt bei.

Auch Missionsgesellschaften und private Sammler trugen zur kolonial belasteten Sammlung des Museums bei. Ein Beispiel: Ein gefülltes Horn aus Kamerun, das 1914 von einem Basler Missionar aus der damaligen deutschen Kolonie mitgebracht wurde. Das Objekt hat bis heute rituelle Bedeutung.

Ein Mann betrachtet Sammlungsgegenstände.
Legende: Besuchende können den Forschenden direkt im Museum Fragen stellen. zvg / Museum der Kulturen Basel

Die Herkunft vieler Objekte ist komplex, sagt Kuratorin Isabella Bozsa. Was bedeutet «mitgenommen» in alten Inventarlisten? Was heisst «verehrt» oder «erworben»? Die Antworten sind selten eindeutig – doch genau das möchte das Projekt: Es schafft Raum für Dialog und neue Perspektiven.

Regionaljournal Basel Baselland, 13.8.2025, 17:30 Uhr ; 

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