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Kommunikation in der Krise Bundesrat hat im Frühling überzeugender kommuniziert

Der «Tagesanzeiger» machte eine Experteneinschätzung publik, die Bundesrat Alain Berset schon im Sommer vor einer zweiten Welle gewarnt hat. Doch dieses Papier ist offenbar in der Schublade verschwunden. Nun steht der Bundesrat in der Kritik. Politologin Rahel Freiburghaus erklärt, wie ein Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und Bevölkerung funktioniert.

Rahel Freiburghaus

Politologin an der Uni Bern

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Die Forschungsschwerpunkte von Rahel Freiburghaus liegen in der Schweizer Politik, dem Föderalismus, Territorial Politics und auf den politischen Institutionen, insbesondere dem Zweikammernsystem.

SRF News: Der Bundesrat geniesst in der Schweiz normalerweise eine Art Vertrauensvorschuss. Ändert sich das nun?

Rahel Freiburghaus: Wenn man Daten aus dem internationalen Vergleich heranzieht, dann sieht man noch im Jahre 2016, dass etwa 82 Prozent der Menschen in der Schweiz dem Bundesrat Vertrauen schenken. Das ist ein weitaus höhere Wert als beispielsweise in Deutschland. Was nun in dieser Krise geschah, ist etwas Ausserordentliches. Man sieht – wenn man den Corona-Monitorings glaubt –, dass die skeptischen Stimmen seit letztem Herbst in der Mehrheit sind und eben auch in der Mehrheit blieben.

Es ist nicht vertrauensbildend, wenn die Bevölkerung den Eindruck gewinnt, die Regierung würde ihr zentrale Informationen bewusst vorenthalten.

Welche Rolle spielen Geschichten wie dieses Papier, das offenbar in der Schublade verschwunden ist? Kann das Alain Berset als Gesundheitsminister das Vertrauen kosten?

Für das Vertrauen in die Regierung gibt es viele unterschiedliche Anforderungen. Zentral ist die transparente und vor allem fortwährende Kommunikation. In eine Krise hat niemand den Anspruch, alles zu wissen, alles richtigzumachen. Aber die Bevölkerung erwartet, dass die Regierung nach bestem Wissen und Gewissen und eben auch Wissensstand handelt. Es ist in der Tat nicht vertrauensbildend, wenn die Bevölkerung auf einmal den Eindruck gewinnt, die Regierung würde zentrale Informationen bewusst vorenthalten und ihr unterschlagen.

Inwiefern spielt es beim Vertrauen in die Regierung eine Rolle, ob der Bundesrat geeint oder eben eher weniger auftritt?

Das spielt eine grosse Rolle. Denken wir zurück an den Frühling 2020, als der Bundesrat als geeinte Truppe öffentlich in Erscheinung trat. Man gewann den Eindruck, dass ein Regierungsteam am Werk ist und nicht, wie in jüngster Zeit gehäuft schien, ein loses Orchester von Solistinnen und Solisten.

Seit Anfang Jahr amtet Guy Parmelin als Bundespräsident. Was heisst ein neues Gesicht in einer anhaltenden Krise für das Vertrauen?

Es ist in der Tat eine Besonderheit in der Schweiz, dass wir ein Bundespräsidium haben, das alle Jahre wechselt. Das bringt mit sich, dass sich jedes Jahr die Formation irgendwo aufs Neue finden muss. Dazu kommt, dass wir in der Verfassung dieses Departementalprinzip vorgesehen haben. Interessant ist, ist, dass dieses Bundespräsidium und dieses Departementalprinzip teilweise in ein Spannungsverhältnis geraten.

Wir sind nach wie vor mitten in der Pandemie und deshalb wäre es sicherlich verfrüht, jetzt schon unterschiedliche Systeme gegeneinander auszuspielen.

In der Schweiz wird die Macht seit jeher auf viele Schultern verteilt. Ist dieses konsensuale System in der Krise schwieriger als ein anderes?

Wir sind nach wie vor mitten in der Pandemie und deshalb wäre es sicherlich verfrüht, jetzt schon unterschiedliche Systeme gegeneinander auszuspielen. Auch Frankreich zum Beispiel ist alles andere als schadlos durch die zweite Welle gekommen, obwohl es ein stark Macht konzentrierendes und zentralistisches System hat. Im Unterschied dazu sehen wir Deutschland, das auch ein föderales System hat, bei dem aber die Bundesländer viel stärker mitagieren. Das sind unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichem Erfolg oder Misserfolg. Deshalb ist es noch nicht möglich zu sagen, dass Macht teilende Systeme generell ungeeignet in eine Krise wären.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

SRF 4 News, 15.02.2021, 10:17 Uhr ; 

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