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Krieg in der Ukraine «Mit seinen Reden hat Selenski schon sehr viel erreicht»

Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenski hat vor einigen Tausend Demonstranten in Bern zur Schweiz gesprochen. Auch diverse Online-Portale übertrugen die Rede live. Es war nicht der erste und auch nicht der einzige virtuelle Auftritt des ukrainischen Präsidenten.

Selenski hat auch schon vor über zehn Parlamenten gesprochen. Zum Beispiel in Berlin, Washington und London. Live, aber per Videoschaltung. Auslandredaktor David Nauer vergleicht die Rede in Bern mit denjenigen, die Selenski in anderen westlichen Städten gehalten hat.

SRF News: David Nauer, wie ordnen Sie die Rede Selenskis in Bern ein?

David Nauer: Selenski ist ein guter Redner, das heisst auch, er weiss immer, zu wem er spricht. Er hat dann eine spezielle, eine entsprechende Botschaft dabei. Die Amerikaner zum Beispiel hat er darum gebeten, eine Flugverbotszone über der Ukraine durchzusetzen. Die Deutschen hat er an ihre historische Verantwortung für die Ukraine erinnert, weil die Ukraine im Zweiten Weltkrieg ganz furchtbar unter den Nazis gelitten hat.

Und in der Schweiz?

Heute in Bern sprach Selenski das Geld der russischen Oligarchen auf den Banken an – auf den Schweizer Banken. Und er sprach auch den Nahrungsmittelkonzern Nestlé an, der immer noch Geschäfte in Russland macht, trotz des Krieges. Etwas, das Selenski gerne beendet sehen würde. Also man kann sagen: Selenskis Rede heute in Bern war eine personalisierte Rede für die Schweiz, wenn man so will.

Was steckt hinter diesen Reden in und vor Parlamentsgebäuden?

Selenski versucht auf der ganzen Welt, also vor allem in der westlichen Welt, Unterstützung zu suchen. Waffen einerseits, andererseits humanitäre Hilfe. Er versucht aber auch, Sanktionen gegen Russland zu erreichen. All das steht auf seiner Agenda. Denn er weiss, dass ohne diese Unterstützung die Ukraine keine Chance hat, gegen den russischen Überfall lange zu bestehen. Westliche Unterstützung ist überlebenswichtig für die Ukraine und entsprechend viel Energie und Zeit investiert Selenski darin, solche Unterstützung zu beschaffen.

Reden ist gut und recht, aber was hat er damit bis jetzt auch erreicht?

Er hat sehr viel erreicht. Zahlreiche westliche Länder liefern Waffen in grossem Umfang an die Ukraine. Sie schicken grosse Finanzhilfen. Aber es gibt auch diplomatische Unterstützung und Solidarität bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Die Ukraine bekommt viel westliche Hilfe, und ich denke, Selenski hat einen grossen Teil dieser Hilfe persönlich eingeholt, denn er ist zum Gesicht des Widerstandes gegen die russische Aggression geworden. Und ich denke, mit seinen Reden rund um die Welt und auch mit derjenigen heute in Bern, versucht er, genau dieses Image zu zementieren.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

Echo der Zeit, 19.3.22, 18 Uhr ; 

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