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Kritik an Pensionskassenreform «Dem Gewerbeverband ist diese Lösung zu teuer»

Der Bundesrat stellt sich hinter den Kompromiss der Sozialpartner für die Reform der 2. Säule. Nach dem Motto: Wenn Arbeitgeber und Gewerkschaften am gleichen Strang ziehen, steigert das die politischen Chancen des Reformprojekts. Doch innerhalb der Wirtschaft gibt es Widerstand, weiss SRF-SRF-Redaktor Jan Baumann.

Jan Baumann

Wirtschaftsredaktor, SRF

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Jan Baumann ist seit 2013 Wirtschaftsredaktor bei SRF. Davor arbeitete er während rund zehn Jahren als Redaktor für die Zeitung «Finanz und Wirtschaft», unter anderem als USA-Korrespondent.

SRF News: Gar nicht einverstanden mit dem Lösungsvorschlag ist der Gewerbeverband. Warum?

Jan Baumann: Dem Gewerbeverband ist diese Lösung zu teuer. Ich habe mit Gewerbeverbandsdirektor Hans-Ulrich Bigler gesprochen. Er sagt, so eine Reform sei billiger zu haben. Der Alternativvorschlag seines Verbands koste nur etwa die Hälfte, also konkret: Mehrkosten von «nur» rund 1.5 Milliarden Franken, statt der rund drei Milliarden in der Version des Bundesrates.

Hans-Ulrich Bigler
Legende: Der ehemalige Zürcher FDP-Nationalrat und Direktor des Gewerbeverbands, Hans-Ulrich Bigler, kann der Reform wenig abgewinnen. Keystone/Archiv

Grösster Stein des Anstosses beim Gewerbeverband ist der «Rentenzuschlag». Es geht um monatlich 200 Franken mehr Rente in der 2. Säule, allerdings zunächst gezielt für die ersten fünf Neurentner-Jahrgänge nach Inkrafttreten der Reform.

Die Arbeitgeber wollen primär politisch die Verantwortung dafür übernehmen, dass die Reform diesmal gelingt.

Ein solidarischer Rentenzuschlag sei systemfremd in der beruflichen Vorsorge. Er gehöre allenfalls in die AHV, aber nicht in die 2. Säule. So argumentieren Kritiker wie der Gewerbeverbandsdirektor.

Auch der Pensionskassenverband ist nicht glücklich mit dem Kompromissvorschlag. Wo sehen die Pensionskassen den Haken?

Der Pensionskassenverband stört sich ebenfalls an diesem Element der Umverteilung, Stichwort Rentenzuschlag. Dazu muss man wissen: Dieser Zuschlag ist eigentlich als Ausgleich dafür gedacht, dass man mit der Reform an anderer Stelle die künftigen Renten reduziert – durch die geplante Senkung des Mindest-Umwandlungssatzes.

Grundsätzlich sagen die Pensionskassen: Wir können diese sozialverträgliche Kompensation zugunsten der Versicherten auch anders erreichen. Deshalb hat der Pensionskassenverband bereits im Mai einen eigenen Alternativvorschlag präsentiert. Er findet diesen Vorschlag – wenig erstaunlich – nach wie vor besser. Übrigens: Mit ihrer Kritik sind Gewerbeverband und Pensionskassenverband nicht allein. Der Baumeisterverband zum Beispiel hat heute auch gesagt, er stehe der Idee des Rentenzuschlags skeptisch gegenüber.

Aber es ist doch bemerkenswert: Arbeitgeberverband und Gewerkschaften schmieden einen Kompromiss, das kommt nicht alle Tage vor….

Das ist der springende Punkt. Arbeitgeberverbandsdirektor Roland Müller streicht diesen Aspekt des Kompromisses hervor. Er sagt: Wenn die Arbeitgeber einfach nur ihren Standpunkt durchsetzen könnten, sähe eine Reform selbstverständlich anders aus. Es gehe aber darum, eine mehrheitsfähige Vorlage zu entwickeln, die im Parlament nicht zerzaust wird. Und die eine reelle Chance habe, auch in einem Referendum zu bestehen.

Die verschiedenen Ausgleichsmassnahmen bringen Fortschritte für Leute mit kleineren Arbeitspensen – und das sind häufig Frauen.

Die Arbeitgeber wollen also primär politisch mit Verantwortung dafür übernehmen, dass die diesmal Reform gelingt, nachdem sie schon zwei Mal gescheitert ist.

Rentner
Legende: Zuletzt scheiterte ein grossangelegtes Reformvorhaben vor zwei Jahren: Bei der Abstimmung über die Altersvorsorge 2020. Keystone

Die verschiedenen Ausgleichsmassnahmen, die im Reformpaket des Bundesrates enthalten sind, bringen tatsächlich Fortschritte für Leute mit kleineren Arbeitspensen, also Teilzeitbeschäftigte – und das sind häufig Frauen. Der Gewerkschaftsbund spricht nicht zuletzt darum von einer historischen Chance für die berufliche Vorsorge. Dieser Begriff ist durchaus angebracht. Auch wenn einzelne Wirtschaftsverbände Umsetzung noch nicht mit im Boot sind.

Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.

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