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Kritik wird grösser Nein sagen genügt bei einer Vergewaltigung nicht

Damit Geschlechtsverkehr oder sexuelle Handlungen gegen den Willen des Opfers strafrechtlich verfolgt werden können, muss Gewalt im Spiel sein. Und das selbst, wenn Beweise da sind und das Opfer glaubwürdig ist. Kritiker sehen deshalb Handlungsbedarf.

«10vor10» liegt ein Bericht vor, welcher Fälle zeigt, in denen sexuelle Handlungen gegen den Willen der Opfer vorgenommen wurden. Trotzdem hatten diese keine strafrechtlichen Konsequenzen für die mutmasslichen Täter, die Verfahren wurden eingestellt.

Der Grund: Das Opfer hat sich nicht gewehrt. Demzufolge musste der Beschuldigte keine psychische oder physische Gewalt anwenden. Und deswegen ist gemäss aktuellem Sexualstrafrecht eine strafrechtliche Verfolgung nicht möglich.

Fehlende Gegenwehr

Gegenüber SRF schildert eine Betroffene, wie sie als 18-Jährige einen sexuellen Übergriff ihres Stiefvaters erlebt. Wie sie sich nicht wehrt, schlafend stellt, in der Hoffnung, dass er aufhört: «Es ging so weit, dass er mir die Hose ausgezogen hat und mit dem Kopf zwischen die Beine gegangen ist. Ich habe dann einfach versucht, mich schlafend zu stellen und zu zeigen, ich will nichts von dir und habe mich abgedreht. Es hat ihn nicht abgehalten.»

Ihren Stiefvater zeigt sie später an, die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren aber ein. Obwohl klar sei, dass sie nicht eingewilligt habe. Aber weil sie sich nicht gewehrt hatte, gab es keinen Widerstand zu überwinden. Dabei ist fehlende Gegenwehr ein häufiges Phänomen. Laut Studien berichten fast 70 Prozent aller Opfer sexueller Gewalt von dieser sogenannten Schutzstarre.

Ohne Gewalt oder Drohung keine Verurteilung

Deshalb gebe es im Schweizer Sexualstrafrecht Handlungsbedarf, sagt Rechtswissenschafterin Nora Scheidegger. Sie hat zusammen mit weiteren Autorinnen einen Bericht verfasst. In diesem haben sie mehr als 30 Fälle von sexuellen Übergriffen gesammelt, die zeigen, dass ein Nein allein nicht reicht.

Wenn das Opfer nicht mehr macht als Nein zu sagen, dann muss der Täter auch nicht nötigen. Und solche Fälle fallen sozusagen durch die Maschen des Strafrechts.
Autor: Nora Scheidegger Rechtswissenschafterin

Fälle, die eingestellt wurden oder vor Gericht gescheitert sind – aufgrund fehlender Gewalt oder Drohung. Scheidegger erklärt: «Für Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung ist es notwendig, dass der Täter ein zusätzliches Nötigungsmittel einsetzt wie Gewalt oder Drohung. Wenn das Opfer nicht mehr macht als Nein zu sagen, dann muss der Täter auch nicht nötigen. Und solche Fälle fallen sozusagen durch die Maschen des Strafrechts.»

Zurzeit läuft auf politischer Ebene die Revision des Sexualstrafrechts. Die Rechtskommission des Ständerats lässt aktuell eine Vorlage ausarbeiten. Anschliessend soll eine Vernehmlassung dazu durchgeführt werden.

10vor10, 21:50 Uhr

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