Zum Inhalt springen
Video
Neue EKM-Studie: Einbürgerung als Privileg
Aus Tagesschau vom 23.05.2024.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 38 Sekunden.

Krux der Einbürgerungspraxis Bildung, Geld, Herkunft: Das braucht es für den Schweizer Pass

Rund ein Viertel der Einwohnenden hat keinen Schweizer Pass. Eine Studie zeigt nun, dass vor allem Wohlhabende mit hohen Bildungsabschlüssen eingebürgert werden. Fehlt es an Chancengleichheit?

900 Franken habe sie für den Schweizer Pass bezahlt, erinnert sich Martina K. Die kaufmännische Angestellte wurde im Januar per Schnellverfahren eingebürgert. In Erinnerung geblieben ist ihr nebst der Kosten der langwierige Prozess. «Ich musste über zwei Jahre warten und Dokumente doppelt einreichen, weil die Behörden nicht schneller vorwärtsgemacht haben. Das war mühsam.»

So viel kostet eine Einbürgerung in der Schweiz

Box aufklappen Box zuklappen

Wer die Schweizer Staatsbürgerschaft erlangen will, muss ein dreistufiges Verfahren absolvieren: Der Wohnkanton erteilt das kantonale Bürgerrecht, die Wohngemeinde das Gemeindebürgerrecht und das Staatssekretariat für Migration (SEM) erteilt die Einbürgerungsbewilligung des Bundes.

Die Kosten hängen stark von Gemeinde und Kanton ab. Im Durchschnitt bezahlt man für die Einbürgerung bei der Gemeinde zwischen 500 und 1000 Franken pro Person, beim Kanton bis zu 2000 Franken pro Person und beim Bund rund 100 Franken. Für eine erleichterte Einbürgerung – also für Ehegatten, Kinder von Schweizerinnen oder Personen, deren Grosseltern bereits in der Schweiz geboren sind und hier gelebt haben – muss eine erwachsene Person 900 Franken berappen.

Quelle: ch.ch, Informationsportal von Bund, Kantonen und Gemeinden

Wie Frau K. geht es vielen. Denn ein Einbürgerungsverfahren muss man sich leisten können. Eine Studie, die im Auftrag der Migrationskommission (EKM) verfasst wurde, zeigt: Seit die Schweiz vor sechs Jahren das neue Bürgerrechtsgesetz eingeführt hat, sind deutlich mehr gut situierte Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen eingebürgert worden.

Bis 2018 hatte etwa jede dritte eingebürgerte Person einen Hochschulabschluss, von 2018 bis 2020 stieg ihr Anteil auf fast zwei Drittel. Dafür sank der Anteil von Personen ohne weiterführende Ausbildung von 23.8 auf 8.5 Prozent.

«Hoch Qualifizierte haben bessere Chancen, einen Job und damit eine Niederlassungsbewilligung respektive Einbürgerung zu bekommen», erklärt Barbara von Rütte. Die Juristin vom Europainstitut der Uni Basel hat die Studie mit den Universitäten Genf und Neuenburg durchgeführt.

Darüber hinaus verfügten besser ausgebildete Menschen in der Regel über ein höheres Einkommen, so von Rütte. Wer das rote Büchlein möchte, muss seit 2018 auch seine finanzielle Unabhängigkeit nachweisen.

Das braucht es für den Schweizer Pass

Box aufklappen Box zuklappen

Wer sich in der Schweiz einbürgern lassen will, muss einiges mitbringen. Für den Schweizer Pass muss man über eine Niederlassungsbewilligung (Ausweis C) verfügen und mindestens zehn Jahre in der Schweiz gewohnt haben. Darüber hinaus müssen Gesuchstellerinnen und Gesuchsteller einen standardisierten Test in einer Landessprache bestehen (mündlich B1, schriftlich A2) und darlegen, dass sie die Sicherheit der Schweiz nicht gefährden. Wer also beispielsweise eine gröbere Straftat begangen oder Betreibungen oder Steuerausfälle einer gewissen Höhe angehäuft hat, kann nicht eingebürgert werden.

Gesuchstellerinnen und Gesuchssteller müssen zudem finanziell für sich selber sorgen können und dürfen in den drei Jahren vor der Einbürgerung keine Sozialhilfe bezogen haben, beziehungsweise müssen die bezogenen Sozialleistungen zurückerstattet haben. Zudem müssen sie darlegen, dass sie die Werte der Bundesverfassung teilen, erfolgreich integriert und mit den schweizerischen Lebensverhältnissen vertraut sind. Gerade in letzteren Punkten bestehen bei den Einbürgerungskriterien je nach Kanton und Gemeinde grosse Unterschiede.

Wer diese Voraussetzungen nicht mitbringt, vor allem Personen aus dem Asylbereich, hat das Nachsehen – und keinen Schweizer Pass.

Das bestätigt ein Blick auf die Nationalitäten. Im vergangenen Jahr kamen die meisten frisch gebackenen Schweizerinnen und Schweizer aus den EU-Ländern Deutschland, Frankreich oder Italien.

«Leute aus der EU oder hoch qualifizierte Drittstaatsangehörige bekommen direkt eine B-Bewilligung und nach zehn Jahren eine C-Bewilligung – sofern sie die Kriterien erfüllen. Damit können sie sich relativ einfach einbürgern lassen», sagt von Rütte.

Flickenteppich bei Integrationskriterien

Bei den Einbürgerungskriterien bestehen je nach Kanton und Gemeinde grosse Unterschiede, etwa beim Sprachniveau oder der Mindestdauer, die man an einem Ort gewohnt haben muss.

Juristin Barbara von Rütte führt aus: «Wenn sie von einem Kanton in einen anderen ziehen, kann das heissen, dass sie nochmals fünf Jahre auf ihre Einbürgerung warten oder eine andere Landessprache lernen müssen.»

Person hält einen Schweizer Pass.
Legende: Die Migrationskommission will mit ihrer Studie zur Debatte über Chancengleichheit in der Migration anregen, zeigt aber auch: Die verschärften Einbürgerungsregeln wirken. KEYSTONE/Christian Beutler

Diese Erfahrung macht auch ein Akademiker mit britischer Staatsbürgerschaft, der sich im Einbürgerungsprozess befindet und nicht namentlich genannt werden möchte. «Der Schwerpunkt liegt auf lokaler Integration. Es handelt sich um eine subjektive Beurteilung, die in einer Gemeinde beispielsweise von einem Gremium aus Landwirten oder Bankern getroffen wird.» Darüber hinaus spreche er zwar fliessend Französisch. Doch das werde nicht akzeptiert, da er in einer deutschsprachigen Gemeinde lebe.

Gemeindeverband kontert Kritik

Beim Schweizerischen Gemeindeverband will man von fehlender Chancengleichheit nichts wissen. Aus Sicht des Föderalismus habe sich das System bewährt, betont Vorstandsmitglied Boris Tschirky. «Wir halten die Einbürgerungsverfahren für fair. Es ist wichtig, dass die Integration potenzieller Mitbürgerinnen und Mitbürger geprüft wird. Das können die Gemeinden, in denen die Leute leben, am besten.»

Genau dies ist der Grundgedanke des Bürgerrechtsgesetzes, wie es das Parlament 2018 festgelegt hat: Nur noch gut integrierte Menschen sollen eingebürgert werden – Menschen, die die Sprache sprechen, in ihrer Gemeinde integriert und wirtschaftlich unabhängig sind. Die EKM-Studie will zur Debatte anregen, zeigt aber vor allem auch: Die verschärften Einbürgerungsregeln wirken.

Rendez-vous, 23.05.2024, 12:30 Uhr

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel