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Landwirtschaft Mit Meerrettich und Kohlmeisen gegen Schädlinge

Wie funktioniert eine Landwirtschaft ohne Pestizide? Zu Besuch auf einem biologisch-dynamischen Bauernhof.

Auf dem Bauernhof «Brachland» von Jürg Raths im Zürcher Oberland gibt es keine Pestizide. Raths betreibt seit 15 Jahren einen biologisch-dynamischen Obst- und Beeren-Betrieb. Er ist 51 Jahre alt und auf dem Hof aufgewachsen. Wenn er seinen Betrieb zeigt, dann wählt er seine Worte sorgfältig. Es ist ihm wichtig, richtig verstanden zu werden.

Die Anlage von Jürg Raths umfasst 70 Aren, sie ist ungefähr so gross wie zwei Fussballfelder. Reihe an Reihe stehen verschiedenste Beerensträucher. Obstbäume säumen die Anlage. Ein grosses Netz darüber schützt vor Hagel, eines rundherum vor Kirschessigfliegen. Planen decken vor dem Regen.

Jürg Raths vor seiner Obst-Anlage
Legende: Von Strauchbeeren über Steinobst bis Kernobst: Jürg Raths betreibt auf 70 Aren biologisch-dynamische Landwirtschaft. SRF

Die Anlage sieht von aussen nicht anders aus als eine herkömmliche Obst-Anlage. Technisch gesehen sei es das gleiche wie auf anderen Höfen, stimmt Raths zu. Aber: «Am Boden ist bei uns alles anders: Da gibt es eine Vielfalt. Da wird Gemüse angebaut und Heilpflanzen, die das Wachstum unterstützen.» So pflanzt er als Zwischenbewuchs Meerrettich an, das eine natürliche Fungizid-Wirkung besitze. Wallwurz als Stickstoff-Lieferant legt er als Mulch-Material wieder auf die Böden.

Kohlmeisen fressen die Insekten

Aber nicht nur Pflanzen, auch Tiere helfen Raths gegen Insektenbefall am Obst: «Ich habe jedes Jahr eine Kohlmeisen-Familie hier drin, mit der ich zusammenarbeite. Die Vögel picken Schädlinge weg und zeichnen mir die Früchte an, die schon Schädlingsbefall haben.» Alles zusammen ergäbe ein kleines Ökosystem, das erlaube, auf Pestizide zu verzichten. Hier machen pflanzliche und tierische Lebewesen, wofür anderswo Pestizide gesprüht werden.

Das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Pflanzen und Tieren mache die Anlage nicht schädlingsresistent, sagt Raths. Er drückt es anders aus: «Sie ist so nützlingsstark, sodass das Ganze wieder aufgeht.» Klar, kurzfristig sei das arbeitsintensiver, vor allem die Umstellung. Vier bis sieben Jahre dauere es im Schnitt, bis der Boden so fruchtbar sei, wie ihn Raths benötigt.

Belastbare Böden

Der eigentliche Unterschied sei das Planen. Er habe viel ausprobiert, was wo am besten wächst. Dafür sei seine Anlage langfristig belastbarer. «Was uns auszeichnet, ist die Resilienz der Böden, vor allem gegenüber Trockenheit.»

Raths kommt auf die beiden Pestizid-Initiativen zu sprechen. Er unterstützt beide. Die heutige Landwirtschaft habe der Natur, den Böden, den Gewässern schon genügend zugesetzt – es sei Zeit zu handeln. «Meine vier Kinder sollen an diesem Ort eine Zukunft haben; wo sie das Wasser aus der näheren Region trinken, gesundes Gemüse essen und einfach ein gesundes Leben führen können.»

Jürg Raths
Legende: Zeit, zu handeln: Jürg Raths unterstützt die beiden Pestizid-Initiativen, die an der Herbstsession im Parlament behandelt werden. SRF

Es sei ihm klar: Ein schweizweites Verbot von Pestiziden wäre eine Herausforderung. Raths würde sich wünschen, dass dadurch auch die Wertschätzung für die Arbeit der Bauern und Bäuerinnen wieder steigt. Grundsätzlich brauche es wieder mehr Leute, die in der Landwirtschaft arbeiten. Diese müsse zurück in die Mitte der Gesellschaft.

Die Umsetzung sei aber Aufgabe aller Akteure zusammen, vor allem der Politik. Für Jürg Raths ist klar: Pestizide haben ausgedient. Ein Ausstieg, das sei keine Frage mehr des Ob, sondern nur noch des Wann.

Die Pestizid- und die Trinkwasser-Initiative

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Die Volksinitiative «Für eine Schweiz ohne synthetische Pestizide» will jeglichen Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft verbieten. Die «Initiative für sauberes Trinkwasser» fordert hingegen, Direktzahlungen nur noch an Landwirtschaftsbetriebe zu vergeben, die keine Pestizide einsetzen. Beide kommen voraussichtlich im nächsten Jahr zur Abstimmung.

Am Montag berät der Ständerat über die beiden Pestizid-Initiativen. Die Wirtschaftskommission des Ständerates findet die Forderungen beider Initiativen übertrieben. Sie will aber einen eigenen Gegenvorschlag ausarbeiten.

Rendez-vous vom 14.9.2020

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