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Lauber bietet Rücktritt an Caroni: «Amtsenthebungsverfahren läuft weiter»

Anbieten reicht nicht: Der Bundesanwalt müsse entscheiden, ob er zurücktrete oder nicht, so der Präsident der Gerichtskommission.

Der Vizepräsident der Gerichtskommission der Eidgenössischen Räte, der Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer, begrüsst den Entscheid Laubers, zurückzutreten. «Das ist im Sinne der Glaubwürdigkeit der Institutionen.» Der Bundesanwalt habe immer gesagt, er werde den Rücktritt anbieten, sobald ein rechtskräftiges Urteil vorliege – auch wenn der jetzige Entscheid noch vor Bundesgericht angefochten werden kann.

«Inhaltlich würde das kaum mehr etwas ändern», ist Aebischer überzeugt. Inhaltlich stützt das Bundesverwaltungsgericht den Bericht der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft zu weiten Teilen. Diese beurteilt insbesondere das dritte Treffen von Lauber mit Fifa-Chef Infantino als schwere Verletzung der Amts- und Treuepflicht des Bundesanwalts.

Es ist wohl der letzte Moment, da Lauber noch ohne allzu grossen Gesichtsverlust zurücktreten kann.
Autor: Lorenz Hess Nationalrat (BDP/BE)

Auch der Berner BDP-Nationalrat Lorenz Hess, ebenfalls Mitglied der Gerichtskommission, begrüsst den Entschied von Bundesanwalt Lauber. Hess hatte schon im Frühling den Antrag auf ein Amtsenthebungsverfahren gegen Lauber gestellt.

Für beiden Nationalräte Matthias Aebischer (links) und Lorenz Hess (rechts)
Legende: Für die beiden Nationalräte Matthias Aebischer (links) und Lorenz Hess (rechts) kann Lauber mit seinem Rücktrittsangebot das Gesicht wahren. Keystone/SRF

«Es ist wohl der letzte Moment, da Lauber noch ohne allzu grossen Gesichtsverlust zurücktreten kann», sagt Hess. Lauber habe so noch eine Chance, sich beruflich nochmals zu verändern. «Und so steht er auch nicht nach einem langen Prozess als totaler Verlierer da.»

Kurzfristig müsse nun die Frage nach einer Stellvertretung und dann auch der Nachfolge von Lauber geklärt werden, so Hess. Wichtig seien auch die allfälligen Auswirkungen auf die laufenden Fälle der Bundesanwaltschaft. Langfristig würden sich weitere Fragen stellen. Etwa, ob es die Bundesanwaltschaft oder den Bundesanwalt überhaupt noch brauche.

«Es braucht grundsätzliche Reformen»

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Die Krise rund um Michael Lauber könnte ein Auslöser für grundlegende Reformen bei der Bundesanwaltschaft sein. Eine solche brauche es, sagt auch SRF-Bundesgerichts-Korrespondent Andreas Stüdli. «Eines hat dieser Fall Lauber gezeigt: Das jetzige System ist nicht krisenfest.» Das sei das Fazit der Geschäftsprüfungskommissionen. «Denn: Haben sich der Bundesanwalt und die Aufsicht einmal verkracht, dann läuft nichts mehr.»

Das Parlament hat Expertengutachten in Auftrag gegeben, wie diese Aufsicht und die Organisation der Bundesanwaltschaft allenfalls verändert werden könnten. «Aber zu dieser Frage der Organisation gehen die Meinungen in der Politik weit auseinander. Manche würden die Bundesanwaltschaft gerne abschaffen. Dann würden die kantonalen Staatsanwaltschaften gestärkt.»

Andere Politikerinnen und Politiker sagen, es brauche eine nationale Behörde mit der Begründung, dass die Verfahren – gerade bei Finanz- oder Korruptionsdelikten – immer komplizierter würden und es da viel Fachwissen auf Bundesebene brauche. «Hier wird sich das Parlament auf ein Modell einigen müssen», so Stüdli.

Das Amtsenthebungsverfahren laufe trotz Laubers Rücktrittsangebot weiter, sagt der Präsident der Gerichtskommission, Ständerat Andrea Caroni (FDP/AR): «Lauber hat nicht seinen Rücktritt erklärt. Er hat nur davon gesprochen, ihn jemandem anzubieten. Das ist meines Erachtens aber so nicht vorgesehen». Er müsse entscheiden, ob er zurücktrete oder nicht. «So lange er im Amt ist, muss die Gerichtskommission ihr Verfahren weiterführen.»

Die Gerichtskommission müsste an ihrer nächsten Sitzung am 19. August über das Amtsenthebungsverfahren entscheiden. Lauber habe ihm aber gesagt, er würde sich nächste Woche schriftlich bei der Gerichtskommission melden, sagt Caroni weiter. «Wir warten gespannt, was im Brief von Herrn Lauber stehen wird.»

Caroni
Legende: Es sei gar nicht vorgesehen, dass der Bundesanwalt der Kommission seinen Rücktritt anbieten kann, so Caroni. Keystone

Aufsichtsbehörde nimmt Stellung

Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) sieht ihre Sanktionen gegen Bundesanwalt Michael Lauber durch das Bundesverwaltungsgericht derweil im Wesentlichen bestätigt.

Die AB-BA hielt in einer ersten Reaktion auf das Urteil der Verwaltungsrichter in St. Gallen fest, Lauber habe ihr gegenüber in der Befragung vom 12. November 2019 vorsätzlich die Unwahrheit gesagt, indem er das dritte Treffen mit Infantino bewusst verschwieg. Das Aussageverhalten des Bundesanwalts sei Hauptgrund für das Disziplinarverfahren der AB-BA gewesen.

Weiterer Bericht obsolet

Andere Amtspflichtverletzungen bestätige das Bundesverwaltungsgericht, schreibt die AB-BA weiter. Dabei würdigte es die Schwere jedoch anders. Das Bundesverwaltungsgericht sei aber wie die Aufsichtsbehörde zum Schluss gekommen, Lauber habe dem Ansehen der Bundesanwaltschaft geschadet. Zudem fehle es ihm an Unrechtsbewusstsein und Einsicht.

Rendez-vous vom 24.07.2020, 12:30 Uhr ; 

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