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Leasen statt Kaufen SBB will Züge für London-Verbindung leasen

Weil das Geld für Investitionen in teure Hochgeschwindigkeitszüge knapp ist, setzt die SBB auf ein neues Modell.

Die SBB will für den internationalen Personenverkehr nach Frankreich und Italien neue Hochgeschwindigkeitszüge beschaffen. Später sollen diese auch nach London fahren.

Jetzt wird klar: Weil das Geld bei der Bahn knapp ist, sollen diese neuen Züge nicht gekauft, sondern nur geleast werden. Damit muss die SBB weniger Geld aufwerfen. Und sie könnte auch von mehr Flexibilität profitieren.

Finanzielle Lage der SBB angespannt

«Aufgrund unserer angespannten finanziellen Situation planen wir jetzt ein Leasing», sagt SBB-Sprecherin Fabienne Thommen auf Anfrage von SRF. Ganz ausgeschlossen sei ein Kauf zwar noch nicht, aber die Präferenz sei klar. Bis zu 40 Hochgeschwindigkeitszüge sollen für den internationalen Einsatz geleast werden.

Heute Mittwoch veröffentlicht die SBB dazu die Ausschreibung auf der Beschaffungsplattform Simap. SBB-Chef Vincent Ducrot dürfte sich anlässlich der Halbjahres-Medienkonferenz der SBB ebenfalls dazu äussern.

SBB setzt auf Tag- statt Nachtverbindungen

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Für die SBB hat nach der Coronapandemie der Freizeit- und Ferienverkehr an Bedeutung gewonnen. Geplant sind deshalb neue umsteigefreie Verbindungen nach Livorno, Florenz oder Rom in Italien und weitere Angebote Richtung Frankreich. In einigen Jahren sollen auch Direktverbindungen nach Barcelona und London möglich sein. Für viele Hochgeschwindigkeitsstrecken im Ausland ist das bestehende Rollmaterial der SBB aber nicht zugelassen, weil die Züge zu langsam sind.

Nicht ausbauen will die SBB dagegen die Nachtzüge – die Kapazitäten seien dafür zu gering und der Aufwand zu gross. Nachtverbindungen nach Rom und Barcelona sind deshalb vom Tisch. Einzig eine neue Verbindung nach Kopenhagen und Malmö ist für 2026 im Gespräch, sofern der Bund die dafür nötigen Subventionen spricht.

Die SBB wolle dabei nicht bereits vorhandene Züge auf dem Markt leasen, sondern neue Züge nach den eigenen Bedürfnissen produzieren lassen. Den Kaufvertrag würde die Bahn dann an einen Leasinggeber abtreten und von diesem die Züge gegen Gebühr erhalten.

Durch das Leasing vermeidet die SBB hohe Investitionskosten, die beim Kauf anfallen würden. Sie kann das benötigte Geld für die Beschaffung der Hochgeschwindigkeitszüge vielmehr erwirtschaften, während sie diese betreibt.

Neues Finanzierungsmodell im Personenverkehr

Allerdings muss sie dem Eigentümer der neuen Züge eine Gebühr zahlen, die auch eine Marge beinhaltet. Und die SBB betritt mit diesem Finanzierungsmodell Neuland: Bisher wurden in der Schweiz nur Güterzuglokomotiven geleast. Im Personenverkehr setzen bislang vor allem Bahnen im liberalisierten Eisenbahnmarkt von Grossbritannien auf das Modell.

Schon bald mit SBB-Logo? Neue Hochgeschwindigkeitszüge sollen für die SBB produziert werden, ihr aber nicht gehören.
Legende: Schon bald mit SBB-Logo? Neue Hochgeschwindigkeitszüge sollen für die SBB produziert werden, ihr aber nicht gehören. LAURENT EMMANUEL/ KEYSTONE (Symbolbild)

Neben finanziellen Überlegungen spielt für die SBB auch zusätzliche Flexibilität eine Rolle. Züge sind üblicherweise auf 40 Jahre Nutzungsdauer ausgelegt. Das Leasing ist für 15 Jahre geplant. Anschliessend könnte die SBB neues Rollmaterial wieder in Betrieb nehmen. Die Bahn kann also flexibler auf einen unberechenbaren Markt für ihre neuen Angebote reagieren.

London kurzfristig nicht realistisch

Im Fokus stehen laut SBB zunächst Verbindungen in die Nachbarländer. Für die Verbindung nach London wären aufwendigen Umbauten an den betroffenen Schweizer Bahnhöfen nötig.

Grossbritannien gehört nicht zum Schengen-Raum und verlangt, dass die Einreiseformalitäten bereits am Abfahrtsbahnhof erledigt werden. In Zürich, Basel oder Genf müssten deshalb Terminals für die Passkontrolle erstellt und die betroffenen Geleise mit Zäunen gesichert werden.

Experte beurteilt Leasing-Entscheid positiv

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Positiv beurteilt Kuno Schedler den Entscheid für das Leasing. Schedler ist Professor für Betriebswirtschaft an der Hochschule St. Gallen. Die SBB könne so im Bereich der technologisch anspruchsvollen Hochgeschwindigkeitszüge Erfahrungen sammeln, ohne das ganze Beschaffungsrisiko zu tragen.

Mit dem Leasing könne die Bahn ausserdem flexibler reagieren, wenn sich die Nachfrage anders entwickeln sollte als erwartet. Auch wenn das beschaffte Rollmaterial nicht den Erwartungen entsprechen sollte, wie das etwa bei der Beschaffung des neuen Doppelstock-Zugs für den inländischen Fernverkehr der Fall war, könne die SBB flexibler reagieren – sofern sie sich vertraglich für einen solchen Fall absichere.

Eine Herausforderung sei allerdings, überhaupt Anbieter für das Leasing zu finden, sagt Kuno Schedler. Denn es brauche mehrere Leasinganbieter, damit der Markt spiele und preislich attraktive Angebote überhaupt entstünden. In der Schweiz waren solche Angebote bislang noch gar nicht gefragt.

Bis SBB-Züge durch den Eurotunnel nach London verkehren, sind also noch einige Fragen zu klären. Die ersten geleasten Hochgeschwindigkeitszüge will die SBB in den 2030er-Jahren vielmehr auf Strecken nach Frankreich und Italien einsetzen.

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Heute Morgen, 27.08.2025,6 Uhr;liea

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