Das Ziel bei der Eröffnung des Léman Express im Dezember 2019 war klar: Ein Viertel-Stunden-Takt ohne Umsteigen zwischen der Schweiz und Frankreich. Eine S-Bahn-Verbindung vom Waadtland über Genf, bis ins französische Annemasse, und von da in die verschiedenen Regionen Frankreichs. Ein Prestigeprojekt. Jahrelang hat man gebaut, Bahnhöfe neu gestaltet oder umgebaut, 1.8 Milliarden investiert.
Es gab viele Verspätungen, Personalmangel und Planungsschwierigkeiten, vor allem im französischen Bahnhof Annemasse.
Die Erwartungen waren hoch. Erfüllt wurden sie in diesem ersten Betriebsjahr nur bedingt. «Es gab viele Verspätungen, Personalmangel und Planungsschwierigkeiten, vor allem im französischen Bahnhof Annemasse». Das sagt der Präsident des Lokführerverbandes in Genf, Matthieu Jotterand. Für den Gewerkschafter ist klar: «Man hat vieles auf den Weg gebracht, aber es bleibt noch Arbeit».
«Jeder Anfang ist schwer»
Auch bei den Pendlerinnen und Pendler war die Stimmung gerade in den ersten Monaten nur mässig optimistisch. Viele klagten über verspätete Züge oder verpasste Anschlüsse. Inzwischen klingt es optimistischer. «Ich hatte auch schon Probleme, aber die Vorteile überwiegen. Nicht mehr immer mit Bus und Tram zu pendeln ist ein Vorteil», sagt etwa Melanie, Studentin und regelmässige Pendlerin.
«Der Léman Express hat Genf revolutioniert», findet Laurent, ein Architekt, der die Verbindung häufig zum Arbeiten braucht. Den positiven Eindruck der Pendler unterstreicht Mario Werren. Der Generaldirektor von Lemanis SA – der Betreibergesellschaft des Léman Express – weiss zwar um die schwierige Startphase, relativiert jedoch: «Es ist ein Jahrhundertprojekt, klar ist hier der Anfang schwer.»
Unterschiedliche Bahnkulturen
Am Ende war das Projekt auch eine Verbindung zwischen der SBB und der französischen SNCF. Im Bahnhof Annemasse sehe man deutlich, dass hier unterschiedliche Kulturen aufeinandertreffen, so Lokführerverbandspräsident Jotterand. «Für ein Bahn-Manöver, welches in der Schweiz rund 15 Minuten dauert, braucht man in Annemasse 45 Minuten. Die Prozesse sind manchmal kafkaesk».
Es ist ein Jahrhundertprojekt, klar ist hier der Anfang schwer.
Generaldirektor Werren verteidigt: «Man kann nicht dem einen oder anderen die Schuld geben. Das sind zwei Eisenbahnen, die lernen müssen, zusammenzuarbeiten.» Dass ein solches Projekt eine Herausforderung ist, zeigt auch die Tatsache, dass die Lokführer eine zusätzliche Ausbildung brauchen, wenn sie in beiden Ländern fahren wollen. Auch hier geriet man – auch wegen Corona – ins Stocken, wodurch einen Teil des Personalmangels zu erklären ist.
Pendlerziel fast erfüllt
Alles in Allem ist der Léman Express auf Kurs. Das Ziel der 50'000 Pendlerinnen und Pendler pro Tag wurde – trotz Corona und Homeoffice – nur knapp verfehlt. Bis im April sollen laut der Betreibergesellschaft auch der Personalmangel und kleinere Mängel am Rollmaterial vollständig behoben sein.
Der Léman Express würde nach etwas mehr als einem Jahr Betriebszeit somit erstmals exakt so verkehren – im Viertel-Stunden-Takt und ohne Umsteigen – wie dies zu Beginn geplant war.