Der Tenor im Ständerat war eindeutig: Wir haben genug vom privaten Transitverkehr durch die Schweiz, der die Strassen verstopft. «Der Verkehr wächst und wächst und er wächst uns über den Kopf», stellte die Urner Mitte-Ständerätin Heidi Z'Graggen fest.
Ein Ende sei nicht absehbar, befürchtete der Bündner Mitte-Ständerat Stefan Engler: «Wenn ich mir vorstelle, wie der Verkehr in den nächsten Jahren noch zunehmen wird, so wird einem schon bange.»
Angesichts dieser Aussichten hat sich der Ständerat hinter eine Forderung von SVP-Ständerat Marco Chiesa gestellt. Der Bundesrat soll eine Vorlage mit einer Durchfahrtsabgabe ausarbeiten, die bei allen Ausländerinnen und Ausländern erhoben würde, die mit ihrem privaten Auto, Camper oder Motorrad die Schweiz durchqueren – «ohne wesentlichen Aufenthalt im Inland», wie es im Vorstoss heisst. Die Höhe der Abgabe soll flexibel je nach Tageszeit, Wochentag oder Verkehrsdichte bestimmt werden. Nach dem Motto: je mehr Verkehr, desto teurer.
Chiesa zeigte sich überzeugt: «Die Umsetzung ist technisch machbar. Über 170 Grenzübergänge sind bereits mit automatischer Nummernschilderkennung ausgestattet.»
Reaktion der EU laut Rösti offen
Der Bundesrat war skeptischer und lehnte die Einführung einer Durchfahrtsabgabe ab. Einerseits aus Gründen der Machbarkeit, weil eine Abgabe eine aufwändige Überwachung sämtlicher Grenzübergänge nötig machen und Kosten verursachen würde. Andererseits sei nicht klar, was ein «wesentlicher Aufenthalt» sei, bei dem keine Abgabe zu bezahlen wäre, so Verkehrsminister Albert Rösti.
Schliesslich hatte der Bundesrat Bedenken bezüglich des Verhältnisses zur EU. Zwar bestätigte Rösti, dass eine Abgabe mit den bestehenden Abkommen mit der EU vereinbar wäre. Doch wie die EU politisch reagieren würde, sei eine andere Frage.
Das sieht auch Alexander Erath so, Professor für Verkehr und Mobilität an der Fachhochschule Nordwestschweiz. Eine Durchfahrtsabgabe möge zwar kompatibel sein mit den EU-Verträgen, aber für eine gute Nachbarschaft wäre sie nicht zuträglich.
Eric Nussbaumer, SP-Nationalrat und Präsident der Europäischen Bewegung Schweiz, geht hingegen davon aus, dass die EU keinen Widerstand leisten würde: «In anderen Ländern ist es auch so – man hat Vignetten und auf gewissen Streckenabschnitten zusätzliche Abgaben.» Der Grundsatz, auf zusätzlichen Abschnitten Abgaben zu erheben, sei möglich und müsse man detaillierter prüfen.
Alexander Erath bezweifelt allerdings, dass eine solche Abgabe grosse Wirkung entfalten würde. An Tagen mit viel Durchgangsverkehr zwischen den Grenzen möge sie zwar eine Teilentlastung bringen. Doch: «An anderen Tagen, wenn vor allem der Schweizer Binnenverkehr zu Stau am Gotthard führt, bringt es wenig.»
Auch Nationalrat dürfte zustimmen
Der Vorstoss für die neue Abgabe muss nun vom Nationalrat gutgeheissen werden. Das dürfte eine reine Formsache sein, dort sind bereits fünf gleichlautende Vorstösse aus der SVP, FDP, Mitte, SP und von den Grünen eingereicht worden.
Haben beide Räte zugestimmt, muss der Bundesrat eine Vorlage ausarbeiten, die wiederum von beiden Räten genehmigt werden muss – dann braucht es eine Volksabstimmung. Denn laut Bundesrat ist für die Einführung einer Durchfahrtsabgabe eine Änderung der Bundesverfassung nötig.