Es ist kein Zufall, dass sich Bundesrat Ignazio Cassis ausgiebig Zeit für die Besuche in Irak, Oman und Libanon genommen hat. Die Nahost-Politik gehört zu den Schwerpunkten der Schweizer Aussenpolitik, gerade wegen der vielen Probleme dort. Und die Eindrücke werden ihm in Erinnerung bleiben.
Die libanesische Hauptstadt Beirut ist nämlich noch immer gezeichnet vom schweren Explosionsunglück im letzten Sommer, das viele Tote und Verletzte gefordert hat. «Man sieht acht Monate nachher immer noch, wie gross die Verwüstung ist», sagt Cassis zu Medienschaffenden vor Ort. «Und es ist schon verrückt, wie die Explosion einen guten Teil dieser Stadt zerstört hat.»
Umso wichtiger war und ist die Unterstützung, die verschiedene Länder nach dieser Explosion im Libanon geleistet haben – auch die Schweiz. «Wir haben ein Kinderspital besucht, das etwas mehr als eine Million Franken gekostet hat. Das hat die Schweizer Bevölkerung – das hat der Bund bezahlt.»
Das sei Geld, das sinnvoll und wirksam eingesetzt worden sei, wie der Bundesrat und Mediziner nach seinem Augenschein betont. Bei seinen Treffen sind aber auch heikle Themen zur Sprache gekommen. So sollen veruntreute Gelder, die eigentlich dem libanesischen Staat gehören, von korrupten Amtsträgern auf Schweizer Bankkonten versteckt worden sein.
Schweiz will Rechtshilfe leisten
Die Bundesanwaltschaft hat in dieser Angelegenheit ein Strafverfahren eingeleitet. Cassis bestätigt, dass die mutmasslichen Fluchtgelder bei seinen Gesprächen mit dem libanesischen Präsidenten und mit dessen Aussenminister ein Thema waren. Er habe ihnen versichert, dass auch die Schweizer Regierung die Angelegenheit aufklären wolle: «Das Bundesamt für Justiz ist daran, Rechtshilfe zu leisten. Wir sind natürlich sehr gerne dazu bereit und offen, hier die Hilfe zu leisten, die gefragt ist.»
Der Aussenminister ist nun innerhalb kurzer Zeit bereits das vierte Mal in den Nahen Osten gereist. Er hat diese Woche als erster Bundesrat seit mehr als 40 Jahren den Irak besucht und bekräftigt, dass die Schweiz bald wieder eine Botschaft in Bagdad eröffnen will. Und gemeinsam mit dem Oman, der ebenfalls ein Reiseziel des Aussenministers war, hat die Schweiz in der jüngeren Vergangenheit bereits einmal erfolgreich bei einem Streit zwischen den rivalisierenden Regionalmächten Iran und Saudi-Arabien vermittelt.
Es sei wichtig, in der Region Präsenz zu markieren und Kontakte zu knüpfen, betonte Cassis zum Abschluss seiner Reise in Beirut. «Die Tatsache, dass wir heute hier sind, trotz Covid-19, trotz instabiler Lage, trotz mangelnder wirklicher Regierung, das ist symbolisch ein ganz wichtiges Element.»
Auch Eigeninteressen im Spiel
Das soll mithelfen, dass die Schweiz wenigstens im kleinen Rahmen zu mehr Sicherheit und Frieden im Nahen Osten beitragen kann. Die Schweiz will das – nicht nur, aber auch – aus Eigeninteresse, wie der Bundesrat selber bereits in seiner offiziellen Nahost- und Nordafrika-Strategie festgehalten hat.
Denn die Krisen in der Region führen dazu, dass immer wieder Menschen die Flucht Richtung Europa ergreifen. Und gleichzeitig gibt es gerade in den Golfstaaten interessante wirtschaftliche und technologische Entwicklungen. Das Erstere möglichst verhindern und an Letzterem teilhaben – auch dafür will die Schweiz in der Region präsent sein und sich engagieren.