Heute wird das angesparte Alterskapital zu einem Satz von 6.8 Prozent in eine jährliche Rente umgewandelt. Wer also 1 Million angespart hat, bekommt eine jährliche Rente von 68'000 Franken. Viele Kassen können das aber nur finanzieren, wenn sie das Geld derjenigen anzapfen, die noch arbeiten. Das ist das grosse Problem.
So flossen in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt 6.3 Milliarden Franken von der arbeitenden Bevölkerung zu den Pensionierten. Die Politik will das abschwächen. Deshalb will sie den Umwandlungssatz von 6.8 Prozent auf 6 Prozent senken. Für die Pensionierten bedeutet das aber eine tiefere Rente. Das soll kompensiert werden.
Ruth Humbel ist Mitte-Nationalrätin und Präsidentin der vorberatenden Sozialkommission. Sie sagt zum nun ausgearbeiteten Vorschlag ihrer Kommission: «Diejenigen künftigen Rentnerinnen und Rentner, die durch diese Reform eine tiefere Rente erhalten würden, bekommen den Ausfall kompensiert. Sie erhalten einen Zuschlag.»
Die Kommissionsmehrheit will diesen Zuschlag einer Übergangsgeneration von 15 Jahren auszahlen. Diejenigen, die keine Renteneinbusse erleiden, sollen umgekehrt auch keine Kompensation erhalten, sagt Humbel: «Das wäre ein Ausbau der Rente. Das will die Kommissionsmehrheit nicht. Es geht primär darum, die Umverteilung von der jungen erwerbstätigen Generation zu den Rentnerinnen und Rentnern abzuflachen und nicht auszubauen.»
Alles gut also? Keineswegs. Die Linke und die Gewerkschaften widersprechen grundsätzlich. So sagt Gabriela Medici vom Gewerkschaftsbund: «Das Modell bedeutet nichts anderes als tiefere Renten zu einem höheren Preis.»
Die Frauen werden im Regen stehen gelassen.
Medici kritisiert erstens, dass nur die Übergangsgeneration eine Kompensation erhält. Aber auch diejenigen, die später in Rente gingen, erlitten durch die Senkung des Umwandlungssatzes eine Renteneinbusse, die nicht kompensiert werde.
Zweitens widerspricht Medici der Aussage, dass alle Angehörigen der Übergangsgeneration mit Renteneinbussen eine Kompensation erhielten. Sie argumentiert, dass das Modell der Kommission nur die Renten des «Obligatoriums» absichere, nicht aber die Renten im «Überobligatorium». Deshalb führe die Reform für viele der Übergangsgeneration zu Renteneinbussen, die ebenfalls nicht kompensiert würden.
Die Reform bringt wesentliche Verbesserungen für Teilzeiterwerbstätige, Personen mit Mehrfachbeschäftigungen und ältere Mitarbeitende.
Schliesslich bringt Medici die Frauenfrage ins Spiel: «Die Frauen werden im Regen stehen gelassen. Man hat ihnen nach der Erhöhung des Rentenalters versprochen, dass es Lösungen für die Rentenlücke in der 2. Säule geben würde. Heute ist genau das Gegenteil passiert.»
Statt eines Rentenausbaus würden viele Frauen unter der Reform leiden, weil sie trotz tiefen Löhnen überobligatorisch versichert seien. Sie würden deshalb aufgrund ihrer speziellen versicherungsrechtlichen Situation keine Kompensation erhalten. «Heute sind sehr viele Frauen in Teilzeitanstellungen dank ihren Kassen besser versichert als es das Gesetz vorsieht. ‹Besser› heisst aber auch: Nicht durch das Gesetz geschützt.» Gemäss dem Kommissionsentscheid würden diese Frauen ausgeschlossen von der Kompensation.
Humbel widerspricht der Kritik nicht grundsätzlich. Sie verweist aber darauf, dass die Kommission darüber hinaus verschiedene auch technische Änderungen vorgenommen habe, die nicht zu vernachlässigen seien – weshalb sie allgemein bilanziert: «Die Reform bringt wesentliche Verbesserungen für Teilzeiterwerbstätige, Personen mit Mehrfachbeschäftigungen und ältere Mitarbeitende.»