Zum Inhalt springen

Lockerung der Massnahmen ETH-Professorin fordert generelle Maskenpflicht in Innenräumen

Sitzplatzpflicht und klar geleitete Personenströme – unter diesen Bedingungen darf man ab 1. Oktober in der Schweiz wieder Anlässe mit mehr als 1000 Personen durchführen. Fussball- und Eishockeystadien dürfen zudem nur zu zwei Dritteln gefüllt werden. Nebst Sitzplatz- gilt auch eine Maskenpflicht.

ETH-Professorin und Bio-Mathematikerin Tanja Stadler ist Mitglied der Covid-19-Taskforce des Bundes. Sie hat vor kurzem auf Radio SRF frühere Lockerungen kritisiert und warnt erneut vor höheren Fallzahlen und den Folgen.

Tanja Stadler

ETH-Professorin am Departement für Biosysteme

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Die Mathematikerin Tanja Stadler ist Professorin am Departement für Biosystems Science und Engineering an der ETH. Sie entwickelt Methoden, um die Ausbreitung von Virus-Epidemien zu berechnen.

SRF News: Der Bundesrat hat den Veranstaltern Auflagen für Grossveranstaltungen gemacht, sind Sie nun beruhigt?

Tanja Stadler: Alle vier bis sechs Wochen verdoppeln sich die Fallzahlen in der Schweiz. Das ist zwar deutlich langsamer als im März, aber wir haben ein exponentielles Wachstum. Ziel sollte es nun sein, die Fallzahlen zu stabilisieren.

Ein Maskenobligatorium ist deutlich weniger einschränkend als ein Lockdown.

Wenn wir jetzt also lockern, indem wir Grossveranstaltungen zulassen, müssen wir an anderer Stelle vermehrt Anstrengungen unternehmen, um die Fallzahlen zu stabilisieren.

Wo also sollen die Lockerungen bei den Grossanlässen kompensiert werden?

Eine Maskenpflicht in Innenräumen ist eine gute Massnahme. Zahlreiche Studien zeigen, dass man damit das Risiko einer Übertragung des Virus reduzieren kann. Ein solches Obligatorium ist deutlich weniger einschränkend als ein Lockdown, wie wir ihn im März hatten. Weiter sollten wieder mehr Menschen im Home-Office arbeiten.

Die Fallzahlen steigen zwar, es erkranken aber vor allem jüngere Menschen, die meist einen milderen Krankheitsverlauf erleben. Das heisst, dass die gesundheitlich angeschlagenen und die älteren Menschen aktuell gut geschützt sind?

Zwar sind aktuell tatsächlich jüngere Menschen betroffen. Das Risiko für ältere Personen hat sich seit März aber nicht verändert. Das heisst, das Virus ist für sie nicht weniger gefährlich. Im Moment schützen wir diese Gruppen gut. Das ist positiv.

Wenn die Anzahl der Neuansteckungen weiterhin exponentiell steigt, werden wir so viele Fälle haben, dass auch die sogenannten Risikogruppen wieder betroffen sind.

Leider aber, weisen immer mehr Indizien darauf hin, dass jüngere Menschen mit schwachem Krankheitsverlauf an Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung leiden.

Zurück zu den schwächeren, leichter verletzbaren Personen. Befürchten Sie, dass auch dort die Fallzahlen wieder steigen?

Meine Sorge ist, dass wenn die Anzahl der Neuansteckungen weiterhin exponentiell steigt, werden wir so viele Fälle haben, dass auch die sogenannten Risikogruppen wieder betroffen sind. Dann werden auch wieder mehr Hospitalisierungen nötig und die Anzahl Todesfälle wird leider steigen.

Je höher die Fallzahlen, desto schwieriger wird die Kontaktverfolgung.

Und, je höher die Fallzahlen, desto schwieriger wird die Kontaktverfolgung. Das heisst, es wäre jetzt extrem wichtig, dass wir zusammen versuchen, mit Massnahmen und Verhalten die Fallzahlen erst zu stabilisieren und im Idealfall noch etwas zu senken.

Das Gespräch führte Andrea Jaggi.

10v10 vom 2.09.2020

Meistgelesene Artikel