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Medikamente in der Schweiz Preisdruck führt zu Engpässen bei Medikamenten

Gewisse Präparate fehlen in der Schweiz. Die Politik muss Lösungen finden, um eine Versorgung zu gewährleisten.

In der Schweiz gibt es bei einigen Medikamenten immer mal wieder Mangel. Gewisse Präparate fehlen, obwohl ein Patient oder eine Patientin sie dringend bräuchte. Derzeit fehlten 600 Medikamente, sagt Enea Martinelli, Chefapotheker der Berner Spitalgruppe FMI.

Ein Beispiel dafür ist ein Herzmedikament: «Aldactone gibt es in der Schweiz seit vielen Jahren. Es ist sehr günstig. In der Schweiz gibt es nur das Original und kein Generikum.» In Deutschland gibt es mehrere Generika, mit denen sich Martinelli teilweise eindeckte, was kompliziert gewesen sei.

Die Ursachen, dass ein Medikament nicht in die Schweiz geliefert werden kann, seien vielfältig: Engpässe in den Wirkstofffabriken oder beim Verpackungsmaterial zum Beispiel. Zudem spielten der Preisdruck und die Absatzgrösse in der Schweiz eine Rolle. «Es ist nicht attraktiv für einen Generika-Lieferanten, in den Schweizer Markt zu kommen und nichts zu verdienen.»

Ein Blister mit Tabletten.
Legende: Spitalapotheker Enea Martinelli schlägt vor, dass sich die Politik und die Behörden auf eine klare Linie einigen, welche Medikamente unbedingt nötig sind. Und was sie gerade darum auch kosten dürfen. Keystone/Gaetan Bally

Generika-Hersteller bestätigen das. Alexander Salzmann leitet den Generika-Hersteller Sandoz Schweiz. Er sagt: «Unser oberstes Ziel ist es, für jedes Original mit abgelaufenem Patent ein Generikum auf den Markt zu bringen – wo es wirtschaftlich möglich ist.»

Doch gerade in der Schweiz, wo Sandoz nur kleine Mengen absetzen könne, lohne sich das Geschäft nicht in jedem Fall: «Lohnkosten und auch der regulatorische Aufwand werden oft kaum gedeckt. Das ist insbesondere bei niedrigpreisigen Medikamenten der Fall.» Betroffen seien gegen 300 Wirkstoffe. Und damit auch zahlreiche Medikamente.

Medikamente verschwinden schleichend

Spitalapotheker Martinelli kennt Beispiele, bei denen gar die Originalhersteller der Schweiz den Rücken kehren. Das bedeutet nicht nur einen vorübergehenden Engpass, sondern gar kein Medikament mehr.

Gemäss der Vereinigung Pharmafirmen (vips) passiert das aber meist nicht von heute auf morgen, wie Präsident Marcel Plattner sagt: «In einem ersten Schritt nehmen Pharmafirmen die Produkte häufig aus der Vergütung. Dann führen sie die Produkte noch ein paar Jahre weiter. Die erodieren dann. Und dann verschwinden sie ganz vom Markt.»

Gemäss Pharmaindustrie wäre das vermeidbar. «Wir hätten viel mehr Medikamente und dadurch eine bessere Versorgungssicherheit, wenn diese mit Gewinn verkauft werden könnten», sagt Plattner.

Gegenseite BAG kontert

Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) setzt in der Schweiz die Medikamentenpreise fest und kontert. «Die Preise bilden sicher einen Anreiz, um einen Markt zu bedienen. Im Fall der Schweiz dürfte dies aber eine untergeordnete Rolle spielen, da die Preise in der Schweiz vergleichsweise hoch sind», sagt BAG-Sprecher Jonas Montani.

Er widerspricht damit den Medikamentenherstellern, die sagen, die Schweiz sei ein zu kleiner Markt. Montani rechtfertigt den Widerspruch mit dem Verweis auf Skandinavien: «Andere Länder mit vergleichbaren Märkten, beispielsweise Schweden, haben viel mehr Generika-Anbieter als die Schweiz – obwohl die Preise dort viel niedriger sind.»

Medikamentenversorgung ist eine Herausforderung

Dennoch räumt Montani ein, ganz reibungslos laufe die Medikamentenversorgung nicht. Bei einigen günstigen Arzneimitteln, die sich für Hersteller kaum mehr lohnen, brauche es Massnahmen für die Versorgungssicherheit. «Es wurden Massnahmen erarbeitet, die überprüft und dann dem Bundesrat zur Umsetzung unterbreitet werden.»

Echo der Zeit, 17.10.2022, 18 Uhr

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