Der Handschlag ist historisch – Joe Biden, Wladimir Putin und Bundespräsident Guy Parmelin wagten es diese Woche wieder und läuteten hoffentlich eine neue Zeit ein – die Zeit nach der Pandemie. Ihr Händeschütteln war ein fast schon ungewohntes Bild nach über einem Jahr Corona – durchgehend wurde am Gipfel in Genf ohne Masken posiert und parliert.
Die Teilnehmenden des Gipfels waren allesamt geimpft oder frisch getestet – inklusive ihrer Mitarbeiter-Stäbe und Sicherheitspersonal. Andernorts wird dies aber nicht so streng kontrolliert. Etwa im Bundeshaus. Es liegt in der Eigenverantwortung der Politikerinnen und Politiker, sich testen oder impfen zu lassen. Im Parlamentsgebäude gilt noch immer Masken-Tragepflicht. Wer nicht am eigenen Pult hinter Plexiglas sitzt oder im Parlamentarier-Restaurant beim Essen, der sollte den Mundschutz tragen.
Bröckelnde Disziplin im Bundeshaus
In der Sommersession hat sich aber auch im Parlament – so wie vielerorts in der Schweiz – eine gewisse Leichtigkeit ausgebreitet: Einige Parlamentarier bewegen sich ohne Maske durch die Wandelhalle. Für Sitzungen an den Tischen ziehen viele die Maske aus.
Bei solch tiefen Zahlen sollte man die Maskenpflicht endlich aufheben.
Selbst Nationalratspräsident Andreas Aebi trifft man im Vorzimmer ohne Maske an – dabei ist er eigentlich für die Einhaltung der Regeln zuständig. «Natürlich haben wir eine grosse Vorbildfunktion», gibt sein Parteikollege Marcel Dettling zu. «Ich glaube aber, der Grossteil der Bevölkerung sieht das gleich wie wir: Bei solch tiefen Zahlen sollte man die Maskenpflicht endlich aufheben.»
Parlamentarier pochen auf Disziplin
Der allergrösste Teil der Parlamentarier hingegen trägt die Maske auch in der Sommersession noch immer strikt. «Es gibt einen militärischen Führungsgrundsatz, der heisst Durchhaltewille. Also Disziplin bis am Schluss. Oft entscheidet es sich genau dann über Erfolg oder Misserfolg», erklärt etwa FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann, der sich über die Masken-Verweigerer aufregt und Kollegen ohne Maske auf den Gängen mal zurechtweist.
In unserer Fraktion würde so etwas nicht geduldet. Ich würde unsere Leute zurechtweisen.
Bei vielen Parlamentarierinnen und Parlamentariern sowie bei Angestellten im Bundeshaus sorgen die «Masken-Vergesser» für Unmut. «In unserer Fraktion würde so etwas nicht geduldet», sagt Mitte-Fraktionschef Philipp Matthias Bregy. «Ich würde unsere Leute zurechtweisen.»
Allerdings sind sich sämtliche politischen Parteien im Bundeshaus einig: Sinken die Ansteckungszahlen weiter, müssen die Maskenpflicht und die allermeisten Corona-Massnahmen noch diesen Sommer fallen. Bereits nächste Woche könnte es so weit sein, dass der Bundesrat die Masken-Tragpflicht weiter lockert.
Experten warnen vor Leichtfertigkeit
Trotzdem warnen Experten vor der neuen Leichtigkeit. Laut dem Professor für Infektiologie Hugo Sax ist es wichtig, dass die Öffnung nun langsam und in den geplanten Schritten vor sich gehe. «Alle Massnahmen sofort aufzugeben, ist gefährlich – dies zeigen Beispiele in anderen Ländern.» Denn das Virus sei noch immer genauso aktiv wie früher und viele Leute seien noch nicht geimpft.
«Wenn die Schutzmassnahmen zu früh fallen gelassen werden und die Impfung noch nicht genug verbreitet ist, kann es wieder zu einem Anstieg der Ansteckungszahlen kommen», sagt der Infektiologe.