Die Maske ist wegen der vielerorts geltenden Maskenpflicht innert kurzer Zeit zu einem Alltagsaccessoire geworden. Soziologin Katja Rost von der Universität Zürich sagt, die Maske sei inzwischen mehr als ein schlichtes medizinisches Produkt: Sie habe eine emotionale Aufladung erfahren.
SRF News: Wie hat uns das Tragen von Masken verändert?
Katja Rost: Die Maske ist nicht mehr nur ein medizinisches Produkt, sondern sie hat eine Aufladung erfahren, indem sie als notwendiges Übel getragen werden soll, getragen werden muss. Sie ist alltagstauglich geworden. Und damit erfolgt eine emotionale und gesellschaftliche Aufladung der Maske.
Ist die Maske auch zum politisch aufgeladenen Requisit geworden?
Das wird gerne so hingestellt, weil die Maske natürlich etwas Sichtbares ist. Die politische Einstellung einer Person kann ich ja nicht sehen. Und so eine Maske ist etwas extrem Auffälliges. Wir sehen sie sofort. Hat der Mensch eine Maske an oder nicht? Genauso wie wir erkennen, ob die Person männlich ist oder weiblich. Solche Symbole erfahren immer eine Aufwertung, weil sie zu Kategorisierungsprozessen, zu Stereotypisierungsprozessen einladen.
Sind die Phasen, die die Gesellschaft mit der Maske durchlebt, mit einem Trauerprozess vergleichbar? Erst das Nicht-Wahrhaben-Wollen und die Ablehnung, dann die Wut, dann die Auseinandersetzung und Akzeptanz?
Das kann man durchaus damit vergleichen. Ich würde als Soziologin aber nicht den Trauerprozess nehmen, sondern Innovationen oder Neuerungen. Bis diese sich durchsetzen in Gesellschaften oder in Systemen, durchlaufen sie einen ähnlichen Prozess. Am Anfang ist das Ganze verunsichernd. Etwas Neues wird als unangenehm erlebt, wird abgelehnt. Und dann setzt langsam, schleichend ein Prozess ein, am Ende dessen etwas Akzeptanz erlebt.
Ist die Maske eher ein Mittel, das uns auseinandertreibt, Distanz schafft, oder ein soziales Symbol, weil man Masken trägt, um andere zu schützen?
Ich denke, dass es unter dem Strich hoffentlich nicht so viel ändert an Gesellschaften, weil das jetzt schätzungsweise noch ein Jahr andauern wird. Und so schnell verändert sich eine Gesellschaft nicht. Zumindest nicht, in den Routinen, über die wir hier sprechen. Das Maskentragen dürfte gar nicht so einen Impact haben, wie man im Moment zu glauben scheint. Ich spreche nicht über Wirtschaft. Da spüren wir ganz klar Konsequenzen. Aber die Menschheit hat sich über Jahrhunderte zu dem entwickelt, was sie ist.
Die Maske ist etwas Sichtbares. Die politische Einstellung einer Person kann ich ja nicht sehen.
Das sind ganz langwierige Prozesse. Begrüssungsrituale zum Beispiel sind historisch unterschiedlich entstanden. Wie viel Nähe und Distanz eine Kultur oder Gesellschaft braucht, ist verschieden. Und innerhalb von zwei Jahren verschwindet so etwas nicht. Kurzfristig beobachtet man schon eher, dass es uns auseinanderentwickelt und nicht, dass es uns zusammenbringt. Denn diese Solidarität mit anderen ist etwas hoch Abstraktes. So eine Solidarität hat man erlebt, als dem Gesundheitspersonal applaudiert wurde.
Das Masketragen dürfte gar nicht so einen Impact haben, wie man im Moment zu glauben scheint.
Aber danach ist doch wieder jeder für sich selbst verantwortlich und schaut auf sich. Und damit zerfällt auch so eine Zwangssolidarität über kurz oder lang. Was überwiegt, ist der Aspekt, dass sie Leute auf der Strasse nicht erkennen wegen der Maske, dass sie ihr Verhalten ändern, weil man sich keine Küsschen gibt, weil man mehr Abstand hält, weil man sich anonymer fühlt. Und das ist natürlich etwas, das für eine Gesellschaft nicht positiv ist.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.