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Menschen in Not Notschlafstelle in Olten vorerst gerettet – ein Einblick

In Olten kann die Notschlafstelle vorerst offenbleiben. Doch jene, die dort schlafen und arbeiten, müssen weiter bangen.

Um Punkt 19 Uhr klingelt es an der Bleichmattstrasse in Olten SO. Diana Greiner, Sozialarbeiterin und Teamleiterin, öffnet die Tür für jene Menschen, die für die Nacht ein Bett brauchen.

Als erster betritt Murat die Notschlafstelle. Sofort redet er laut drauflos und gestikuliert dabei wild. Greiner weiss, wie damit umzugehen ist. Sie unterbricht ihn freundlich, aber bestimmt. «Murat, ich möchte dir dein Bett zeigen. Dann kannst du weiterreden.»

Drohende Schliessung vorläufig abgewendet

Der Notschlafstelle drohte die Schliessung per Ende Oktober. Weil sich weder Gemeinden noch der Kanton oder andere Geldgeber ausreichend an der Finanzierung beteiligten, musste der Trägerverein «Schlafguet» fast die Notbremse ziehen. Im letzten Moment sprang die Stiftung Sozialwerk Pfarrer Sieber ein, sie finanziert das Projekt nun für ein halbes Jahr.

Zwei Personen stehen im Türrahmen und sprechen miteinander.
Legende: Timo Probst, Co-Präsident des Vereins «Schlafguet», und Teamleiterin Diana Greiner betreuen in dieser Nacht die Gäste. SRF / Mario Gutknecht

Doch das Bangen geht weiter: «Bis im April müssen wir eine langfristige Finanzierung finden. Sonst müssen wir schliessen», erklärt Timo Probst, Co-Präsident des Vereins «Schlafguet». Die Situation sei belastend. «Als wir die bevorstehende Schliessung kommuniziert haben, haben viele gesagt, dass sich dann niemand mehr um sie kümmern würde. Diese Aussagen haben mich tief berührt.»

Plötzlich obdachlos

Einer, der auf das Bett in der Notschlafstelle angewiesen ist, ist Manfred Schröder. Er hatte ein geregeltes Leben, eine Wohnung, einen Alltag. Doch dann kündigt ihm der neue Besitzer, weil er renovieren will.

Mann mit Brille und Schnurrbart sitzt vor Etagenbett.
Legende: Manfred Schröder kann heute in der Notschlafstelle übernachten. Maximal 20 Tage pro Monat darf er hier schlafen. Die anderen Nächte verbringt er draussen oder bei Freunden. SRF / Mario Gutknecht

Während Schröder eine neue Bleibe sucht, schlägt das Schicksal erneut zu: Er stürzt. Wegen einem gebrochenen Handgelenk und kaputten Knien folgt ein längerer Spitalaufenthalt. Und plötzlich steht der Rentner ohne Wohnsitz da.

Ich ging jahrelang zur See – enge Räume bin ich gewohnt.
Autor: Manfred Schröder Gast Notschlafstelle Olten

«Ich hätte nicht gedacht, dass ich jemals in so einer Situation bin», erzählt Manfred Schröder. Dennoch komme er gut damit klar, mit Fremden auf engstem Raum zu schlafen. «Ich ging jahrelang zur See, auf engstem Raum zu übernachten bin ich gewohnt.»

Schröder wartet auf einen Platz in einem Altersheim. Bis dahin ist er froh, in Olten eine Übernachtungsmöglichkeit zu haben.

Vom normalen Leben zur Obdachlosigkeit – es ist grauenhaft.
Autor: Badjie Saikou Gast Notschlafstelle Olten

Auch Badjie Saikou hätte nie damit gerechnet, einmal obdachlos zu sein. Seit den 80er-Jahren lebt er in der Schweiz. Mit seiner Frau zog er drei Kinder gross, bis die Ehe zerbrach. Irgendwann ordnete das Gericht an, dass er ausziehen muss.

«Zuerst habe ich mehrere Wochen im Treppenhaus eines Bürogebäudes auf dem Boden geschlafen, bis die Rückenschmerzen zu gross wurden», erzählt Saikou. «Von einem ganz normalen Leben zur Obdachlosigkeit – es ist grauenhaft.»

Drei Männer essen an einem Tisch in einem Esszimmer.
Legende: Badjie Saikou (links) sitzt am Tisch mit Murat (Mitte) und einem Mitarbeiter der Notschlafstelle. Er schätzt die Gesellschaft in der Notschlafstelle. SRF / Mario Gutknecht

Badjie Saikou hofft, dass er bald wieder in eine Wohnung ziehen kann. Bisher bekam er auf all seine Bewerbungen Absagen.

Die Dankbarkeit ist spürbar

Meist sind die Lebensgeschichten der Gäste belastend. Sozialarbeiterin Diana Greiner weiss gut damit umzugehen. Belastend finde sie hingegen die Ungewissheit über die Zukunft. «Ich kann nicht verstehen, wieso es ein solches Angebot so schwer hat, genug Unterstützung zu finden.»

Oltner Stadtpräsident ist zuversichtlich

Box aufklappen Box zuklappen

Thomas Marbet, der Stadtpräsident von Olten, ist zuversichtlich, dass sich eine Lösung für die Finanzierung der Notschlafstelle findet. «Die Stadt Olten ist bereit, das Projekt mitzufinanzieren. Aber auch andere Gemeinden, der Kanton und auch umliegende Kantone müssen mitziehen.»

Dass zwei Drittel der Besucherinnen und Besucher der Notschlafstelle nicht aus dem Kanton Solothurn kommen, stosse der Bevölkerung teilweise sauer auf. Doch Marbet betont: «Eine Notlage kennt keine Grenzen. Hier gilt das Gebot der Menschlichkeit und der Nothilfe.»

«Wir spüren die Dankbarkeit der Gäste», betont Greiner. Auch wenn teils ganz unterschiedliche Menschen sich zu viert das Zimmer teilen, verlaufen die meisten Nächte friedlich.

Am Morgen weckt Greiner alle. Nach dem Frühstück müssen die Übernachtungsgäste um 8 Uhr das Haus verlassen. «Tagsüber müssen sie selber schauen, wie sie die Zeit überbrücken, bis wir um 19 Uhr wieder unsere Türe öffnen.»

Schweiz aktuell, 16.10.2025, 19 Uhr ; 

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