«Von einem Tag auf den anderen lag ich nur noch auf dem Boden, habe geweint und gewartet, bis der Tag um ist», erzählt Sarina Wälti. Vor drei Jahren hatte die 28-Jährige eine grosse psychische Krise. Sie war – wie sie sagt – am absoluten Tiefpunkt angelangt: «Ich wollte nicht mehr leben.»
Über psychische Krisen sprechen
Zwei Jahre war Sarina Wälti krankgeschrieben. Mehrere Klinikaufenthalte, eine Therapie und Medikamente haben ihr geholfen, wieder auf die Beine zu kommen. Die wieder gewonnene Lebenskraft setzt sie nun in ihrer Heimat ein – und will anderen Betroffenen im Emmental helfen.
Denn noch immer seien psychische Probleme ein Tabu, insbesondere auf dem Land werde nur wenig darüber gesprochen. «Hier im Emmental behalten die Menschen oft die Probleme für sich, sie möchten niemanden damit nerven oder belasten.» Schweigen helfe aber niemandem.
Sarina Wälti engagiert sich deshalb als Co-Präsidentin des neu gegründeten Vereins EmMental. Fachleute und Betroffene aus der Region haben sich zusammengeschlossen, mit dem Ziel, niederschwellige Hilfe und Austauschmöglichkeiten zu ermöglichen.
Ein Angebot des Vereins: ein regelmässiges Walk-In in Langnau. Betroffene und ihre Angehörige können ohne Termin mit Medizinerinnen oder Sozialarbeitern über ihre Anliegen sprechen. Auch Betroffene, wie Sarina Wälti, geben ihr Wissen und ihre Erfahrung weiter.
«Wir zeigen bewusst unser Gesicht»
Denn das Bedürfnis, über psychische Belastungen und Probleme zu sprechen, gebe es auch auf dem Land, ist Manuela Grossmann überzeugt. Sie ist die zweite Co-Präsidentin des Vereins und hat viele Jahre als Pfarrerin in Langnau gearbeitet.
Die Seelsorgerin ist überzeugt: Der Verein kann zur Entstigmatisierung beitragen. «Wir sind nicht irgendeine anonyme Anlaufstelle, sondern wir zeigen bewusst unser Gesicht, zum Beispiel auf der Webseite, und wir sind ansprechbar.»
Die Berner Fachhochschule begleitet und unterstützt EmMental. Es gebe zwar viele Hilfsangebote für Menschen mit psychischen Problemen, nur selten würden aber Fachpersonen, engagierte Personen und Betroffene so eng miteinander arbeiten, sagt Anita Schürch.
Netzwerk auf dem Land
Das Konzept der Caring Community, also der sorgenden Gesellschaft, sei zwar nicht neu, aber werde noch wenig umgesetzt. Und: Es funktioniere im Emmental. «Alle Beteiligten von EmMental haben ein grosses Engagement an den Tag gelegt und ihr Umfeld mit einbezogen.» Der Vorteil auf dem Land: Es gibt bereits ein starkes Netzwerk.
Die Bereitschaft, gerade von jungen Betroffenen, über ihre Erkrankung zu sprechen, sei gross. «Die Perspektive von Betroffenen ist für niederschwellige Hilfsangebote zentral. Sie wissen, woran es fehlt und was es braucht», so die Gesundheitswissenschaftlerin Anita Schürch.
Auch Sarina Wälti will einen Beitrag leisten, für Betroffene, gegen das Schweigen. «Es darf nicht sein, dass sich Menschen schämen, weil sie ein psychisches Problem haben. Ihrer Geschichte steht ein Platz zu, auch im Emmental.»