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Milliardenüberschuss beim Bund Falsche Prognose oder gar Staatsabbau?

Wieder hat der Bund viel mehr eingenommen als erwartet. Über den Grund sind sich Experten uneinig.

Der Bund hat 2018 mit fast drei Milliarden Franken zehnmal mehr eingenommen als im Budget vorgesehen war. Vor allem linke Finanzpolitiker freuen sich gar nicht darüber. Sie werfen dem Bund vor, dass er seit Jahren absichtlich falsch prognostiziere.

Dem widerspricht Serge Gaillard, Direktor der Finanzverwaltung: «Die Einnahmenprognosen werden bestmöglich mit statistischen Modellen erstellt, und die Modelle sind so gewählt, dass wir uns über die Jahre nicht täuschen dürfen. So gesehen können die Prognosen politisch gar nicht beeinflusst werden.»

Doch die Budgetprognosen stimmen seit Jahren nicht. Mit Ausnahme von 2014 war das Jahresergebnis immer viel besser als erwartet. Der Finanzpolitiker Philipp Hadorn (SP/SO) ist überzeugt, dass hinter den Rechnungsfehlern Kalkül steckt:

«Eine Systematik ist festzustellen, immer schlecht zu prognostizieren um bessere Resultate zu haben – wahrscheinlich gehts wirklich um Staatsabbau.» Das Parlament hätte die letzten Jahre fast immer eine Milliarde mehr ausgeben können, wenn die Prognosen genauer gewesen wären.

Doch dank den unerwarteten Überschüssen konnte der Bund die Schulden deutlich reduzieren von 130 Milliarden auf 99 Milliarden Franken. Die Einnahmen, insbesondere aus der Verrechnungssteuer, genau zu prognostizieren, sei fast unmöglich, heisst es bei der Finanzverwaltung.

Säulendiagramm.
Legende: Über die Jahre immer sehr gute positive Rechnungsabschlüsse des Bundes. SRF | EFD

Antizyklische Fiskalpolitik

Laut den Lehrbüchern sollte Fiskalpolitik antizyklisch sein. Der Staat spart in guten Zeiten und kann in schlechten Zeiten Geld ausgeben. Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti von der Universität Bern erklärt das Prinzip so:

«Eigentlich geht es um die Stabilisierung der Konjunktur. Wenn bei einer sehr guten Wirtschaftslage die Kapazitäten ausgelastet sind und zusätzliche die staatliche Nachfrage steigt, dann überhitzt sich die Wirtschaft. Umgekehrt in schlechten Zeiten ist es so, dass die Wirtschaft unterausgelastet ist und dann kann eine zusätzliche Staatsnachfrage diese Unterauslastung dämpfen.»

Ein Grund für den Überschuss des Bundes ist die Schuldenbremse. Sie wurde 2001 bei einer Volksabstimmung angenommen. Diese verpflichtet den Bund bei Überschüssen den Schuldenberg laufend abzubauen. Das findet aber nicht überall Anklang.

Laut dem Gewerkschaftsbund (SGB) sind die Staatsschulden mittlerweile klein genug, dass es Überschüsse zum Schuldentilgen nicht mehr braucht.

Darum fordert der Sprecher des SGB, Thomas Zimmermann: «Der Überschuss soll für Vorhaben eingesetzt werden, die der Bevölkerung etwas bringen. Weil die AHV negative Zahlen präsentieren wird, soll der Bund seine Anteile an der AHV aus diesen Überschüssen bezahlen und aufstocken, also etwas unternehmen, das der Gesamtbevölkerung etwas bringt – nämlich sichere Sozialwerke.»

Economiesuisse, der Dachverband der Schweizer Wirtschaft, will hingegen an der Schuldenbremse festhalten, sagt Chefökonom Rudolf Minsch: «Die Sozialwerke müssen sowieso nachhaltig finanziert werden. Nicht nur einmalig - das wäre ein Tropfen auf den heissen Stein. Und man muss bedenken, es ist ein unerwarteter Überschuss. Er könnte genauso in die andere Richtung gelaufen sein. Und folglich ist es richtig, dass man die Schuldenbremse nicht antastet.»

Ohne politische Kehrtwende wird sich die Schweiz aber auch weiterhin gemäss den Lehrbüchern verhalten und mit Überschüssen Schulden abbauen.

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