Der Milliardenüberschuss macht Finanzminister Ueli Maurer glücklich – sogar aus dem Ausland gibt es dafür Blumen. Nämlich vom niederländischen Ministerpräsidenten Mark Rutte, der heute in Bern auf Besuch war und nach seinem Treffen mit Bundespräsident Maurer vor die Medien trat.
«Ich präsentiere lieber einen Überschuss von drei Milliarden als ein Defizit von drei Milliarden», scherzte Maurer. «Ich gratuliere!», meinte der Gast aus den Niederlanden, zur Erheiterung der anwesenden Journalisten.
In solchen Frohsinn versetzt das Resultat aber nicht alle. SP-Nationalrat Philipp Hadorn etwa sagt: «Man könnte tatsächlich in Festtagsstimmung geraten – wenn nicht wieder eine dramatische Verschätzung vorliegen würde.»
Um den Faktor zehn lag die Finanzverwaltung daneben bei der Schätzung des Überschusses. Das sei erklärbar, sagt der Leiter der Finanzverwaltung, Serge Gaillard. Zum einen brauche die Verwaltung nicht alles Geld, das ihr zur Verfügung stünde: «Zusätzlich wurden wir durch die unerwartet hohen Einnahmen bei der Verrechnungssteuer überrascht.»
Es entsteht der Eindruck, dass System dahintersteckt und nicht richtig budgetiert wird. Wahrscheinlich, um die Einnahmen schlecht zu reden.
7.7 Milliarden Franken brachte die Verrechnungssteuer ein – ein Viertel mehr als budgetiert. Eine der Erklärungen der Finanzverwaltung dafür: Unternehmen und Privatleute warten damit ab, die Verrechnungssteuer zurückzufordern. Sie lassen das Geld lieber vorübergehend in der Bundeskasse parkiert, denn in Zeiten von Negativzinsen ist es unattraktiv, viel Geld auf der hohen Kante zu haben.
Doch SP-Finanzpolitiker Hadorn mag diese Begründung nicht mehr hören. Im ersten Jahr mit unerwarteten Überschüssen sei das nachvollziehbar gewesen, im zweiten vielleicht auch noch: «Heute nicht mehr. Es entsteht der Eindruck, dass System dahintersteckt und nicht richtig budgetiert wird. Wahrscheinlich, um die Einnahmen schlecht zu reden.»
Finanzdepartement weist Vorwurf zurück
Seit Jahren wirft die Linke dem Bundesrat und namentlich dem SVP-Finanzminister vor, er budgetiere absichtlich pessimistisch – um so künstlich einen Spardruck aufrecht zu erhalten. Der Leiter der Finanzverwaltung verwahrt sich gegen diesen Vorwurf: «Die Einnahmenprognosen werden nach strengen, dokumentierten Regeln erstellt», sagt Gaillard.
Bei der Verrechnungssteuer seien Prognosen aber schwierig: «Dort haben wir ein ganz einfaches statistisches Modell. Es unterschätzt die Erträge in Jahren, in denen die Erträge hoch sind.» In Jahren mit tiefen Erträgen wiederum würde das Modell die Erträge überschätzen.
Da müsse sich das Finanzdepartement schon etwas einfallen lassen – damit es sich bei der Verrechnungssteuer nicht mehr derart verrechne, heisst es nun auch auf bürgerlicher Seite.
Vorboten des grossen Abstimmungskampfes
So sagt FDP-Nationalrat Albert Vitali, den das Ergebnis ansonsten erfreut: «Das Wort ‹Verrechnungssteuer› sagt es ja schon: Die Berechnung dieser Einnahmen ist sehr, sehr schwierig.» Das Finanzdepartement sei aber tatsächlich gefordert, genauere Berechnungsmodelle zu entwickeln. Aber: «Die Überraschung ist für mich positiv.»
Noch eine Überraschung hat der Bundesrat heute parat: Auch die nahe Finanzzukunft präsentiere sich besser als erwartet. Für die geplante Steuerreform mit der AHV-Zusatzfinanzierung brauche es daher aus heutiger Sicht keine Sparmassnahmen, schreibt der Bundesrat – und läutet damit bereits den Abstimmungskampf für das Steuer-AHV-Paket ein.