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Mindestabstand schwierig Boom beim Onlinehandel bringt Versandabteilungen ans Limit

Riesiger Andrang auf Internet-Bestellungen: Den Preis bezahlen zum Teil die Angestellten der Verpackungs-Abteilungen.

Angesichts der Coronakrise brummt das Onlinegeschäft. Auch beim Schweizer Buchhändler Orell Füssli. Doch viele der Angestellten in der Versand-Abteilung fühlen sich nicht sicher. Der Verkauf via Internet werde im Moment um jeden Preis forciert. Und diesen Preis bezahlen offenbar die Angestellten: «Auf engem Raum werden überdurchschnittlich viele Mitarbeiter beschäftigt, um die Arbeit zu bewältigen», schreibt eine betroffene Person dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Die Regeln des BAG würden dabei nicht eingehalten.

«Es herrscht eine Angstkultur»

Vor allem der ungenügende Abstand mache den Angestellten Sorge, und es herrsche eine Angstkultur, erzählt die Person am Telefon. Alleinerziehende Mütter oder Studenten, die auf den Verdienst angewiesen seien, getrauten sich nicht, aufzumucken.

Immerhin: Desinfektionsmittel und Handschuhe seien vorhanden, und es seien auch ein paar Arbeitstische in den Gang verlegt worden. Den Mindestabstand einzuhalten sei aber schlicht nicht möglich. Derzeit seien gegen 40 Mitarbeitende vor Ort. Es hätten nicht einmal alle ein eigenes Arbeitspult.

Mindestabstand im Logistik-Zentrum: Das sagen die Onlinehändler

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  • Digitec Galaxus: In der Verpackungsabteilung wurden Arbeitsplätze gesperrt und Trennwände installiert. Zusätzlich wurde eine Security-Firma angestellt, die darauf achtet, dass die Hygiene- und Verhaltensregeln des BAG eingehalten sind.
  • Brack: Der Onlinehändler hat über 80 zusätzliche Personen im Logistikzentrum eingestellt. An neuralgischen Stellen gibt es Bodenmarkierungen. Zudem wurden mittlerweile sämtliche Mitarbeitenden mit Schutzmasken ausgerüstet.
  • Microspot: Die bestehenden und neuen Arbeitsstationen wurden auf der Gesamtfläche verteilt. Zudem gibt es Trennwände zwischen den Arbeitsplätzen.

Orell Füssli führt Schichtbetrieb ein

Ohne Absprache mit dem Personal hat Orell Füssli zudem kürzlich den Zweischichtbetrieb eingeführt. Statt wie regulär von 07.30 Uhr bis 18 Uhr arbeitet die erste Schicht nun ab morgens um sechs, die zweite Schicht bis abends um elf. Wer reklamiere, oder sage, das sei mit der Kinderbetreuung nicht organisierbar, werde zurechtgewiesen: «Man hat uns gedroht, man werde von Filialmitarbeitenden ersetzt. Wir sollten dankbar sein, dass wir überhaupt noch einen Job haben.»

Orell Füssli bestätigt gegenüber «Espresso» den markanten Anstieg bei den Online-Bestellungen: Entsprechend habe man die Kapazitäten im Logistikzentrum aufgestockt – «unter Gewährleistung der vom Bund definierten Hygieneregeln und Sicherheitsvorschriften». Unter anderem gebe es Trennwände, Desinfektionsmittel, Handschuhe, zusätzliche Pausenräume und zwischen den Schichtbetrieben werde alles desinfiziert.

Die betroffenen Mitarbeitenden sehen es anders. Sie fühlen sich und ihre Sorgen nicht ernst genommen. Immerhin: Nach der Anfrage von SRF ergriff Orell Füssli weitere Massnahmen. Unter anderem wurden Mindestabstände markiert, die Anzahl Leute vor Ort reduziert und die Sorgen der Betroffenen angehört.

Plötzliche Schichtarbeit muss zumutbar sein

Bleibt die Frage nach der Schichtarbeit, die Orell Füssli und auch andere Versandhäuser aufgrund des hohen Bestellaufkommens eingeführt haben. Dazu sagt Sara Licci, Dozentin für Arbeitsrecht an der ZHAW, solche Anpassungen seien erlaubt, solange das Arbeitsrecht erfüllt sei. «Wichtig ist, dass die Massnahme betrieblich notwendig und temporär ist, und keine Nacht- oder Sonntagsarbeit anfällt.» Für die Arbeitnehmer müsse die Massnahme aber zumutbar sein. «Das Unternehmen muss auf jene Rücksicht nehmen, für die es zum Beispiel wegen der Betreuung von Kindern nicht organisierbar ist. Eine Kündigung aus diesem Grund wäre missbräuchlich.»

Die wichtigsten Informationen zum Coronavirus:

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Espresso, 15.04.20, 08:13 Uhr

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