Mit dem Posten der Fraktionspräsidentin der Mitte hat sich Yvonne Bürgin diese Woche eine mächtige, aber auch anspruchsvolle Aufgabe gesichert. Die Mitte im Bundeshaus ist oftmals das «Zünglein an der Waage» bei politischen Geschäften. Allerdings gelten die einzelnen Fraktionsmitglieder als Einzelkämpferinnen und Einzelkämpfer, was es für die Fraktionspräsidentin nicht einfach macht, die Partei zusammenzuhalten. Yvonne Bürgin war Gast in der Samstagsrundschau.
SRF News: Nach ihrer Wahl zur Fraktionspräsidentin, welches Gefühl überwiegt – Macht oder Ohnmacht?
Yvonne Bürgin: Vor allem Freude. Es war für mich kein einfacher Entscheid und der Bewerbungsprozess lang, jetzt freue ich mich, dass ich in der neuen Funktion starten kann.
Die grosse Herausforderung wird sein, die einzelnen Mitglieder – vor aus dem Ständerat – auf Linie mit der Partei zu bringen. Wie wollen sie das schaffen?
Das Zweikammer-System in der Schweiz ist natürlich eine Herausforderung und dass wir da nicht immer eine Linie fahren können, ist klar. Die Ständeräte haben eine andere Rolle, sie vertreten die Kantone. Dass sich das teilweise bei den Abstimmungen akzentuiert, hat auch damit zu tun, dass die Mitte aussergewöhnlich viele Ständeräte hat.
Was für ein Mittel haben sie als Fraktionspräsidentin überhaupt, Abweichlerinnen und Abweichler an die kürzere Leine zu nehmen?
In der Mitte soll es auch Platz haben für gute Einzelauftritte – wie im Sport, da muss man als Team überzeugen, aber es hat auch Platz für Sololäufe. Bei Themen, die für die Mitte entscheidend sind, werde ich früh die Diskussion zwischen den Fraktionsmitgliedern suchen. Es wird immer gesagt, dass die Ständeräte oft abweisen, häufig bringen sie aber auch sehr gute Lösungen. Da könnte auch mal umgekehrt der Nationalrat mitziehen.
Ich bin eine stille Schafferin. Aber wenn es sein muss, kann ich hinstehen und mich durchsetzen.
Sie haben sich selber auch schon als «Luchsin» bezeichnet, «die Krallen zeigen kann». Werden Sie die Krallen als Fraktionspräsidentin häufiger brauchen müssen?
Das stimmt, das habe ich vor Jahren einmal gesagt. Die Luchsin gefällt mir, weil sie auf leisen Pfoten geht – ich bin eine stille Schafferin. Aber wenn es sein muss, kann ich hinstehen und mich durchsetzen.
Jemand, der ihre Krallen schon spürte, ist der ehemalige Mitte-Präsident Gerhard Pfister. Vor den letzten Bundesratswahlen haben sie öffentlich gesagt, sie wünschten sich einen jüngeren Kandidaten – daraufhin hat sich Pfister aus dem Rennen genommen. Bereuen Sie ihre Worte?
Ich habe damals gesagt, ich präferiere jüngere Politiker, weil ich mich immer schon für den politischen Nachwuchs eingesetzt habe. Es war nicht gegen Herrn Pfister gerichtet. Ich sagte, ich wünsche mir frischen Wind – mehr nicht.
Das stimmt nicht ganz, Sie haben auch kritisch auf die Interessensbindungen von Herrn Pfister hingewiesen. Gehen Sie jetzt auch bei anderen Mitte-Politikern gegen ihre Interessenbindungen vor – da gibt es bekanntlich viele, die in Lobbyverbänden sitzen?
Ich politisiere aus innerer Überzeugung und möchte am Abend in den Spiegel schauen können.
Ich persönlich schaue genau, welche Mandate ich annehme, weil ich möchte unabhängige Politik machen. Ich politisiere aus innerer Überzeugung und möchte am Abend in den Spiegel schauen können. Aber das muss jede und jeder selber entscheiden – Interessensbindungen sind öffentlich ersichtlich und nicht verboten.
Das Gespräch führte Eliane Leiser.