Sie ist etwas müde, aber überglücklich. So fühlt sich Astrid Bärtschi von der Mitte-Partei am Tag nach den Berner Wahlen. Sie sei nicht die ganze Nacht am Feiern gewesen, das sei nicht der Grund für ihre Müdigkeit: «Ich war etwa um 23 Uhr zu Hause. Aber ich konnte noch eine Weile nicht einschlafen.»
Am Sonntagabend, um 18.22 Uhr, war nämlich klar: Astrid Bärtschi zieht für die Mitte-Partei in die siebenköpfige Berner Kantonsregierung ein. Und ersetzt damit ihre Parteikollegin Beatrice Simon, die nach drei Legislaturen nicht mehr antrat.
Bärtschi sorgt dafür, dass der Kanton bürgerlich regiert bleibt. Ihren direkten Konkurrenten distanziert sie mit fast 22'000 Stimmen. «Ich bin davon ausgegangen, dass es ein Kopf-an-Kopf-Rennen gibt. Dieses deutliche Resultat habe ich nicht erwartet.»
«Astrid wer?»
Die Ostermundigerin war kaum bekannt. Als sie von ihrer Partei, der Mitte, für die Regierungsratswahlen nominiert wurde, fragten sich denn auch einige, wer sie überhaupt sei. Als Kommunikationschefin der nationalen Mitte-Partei und zuvor Generalsekretärin der BDP Schweiz hat sie zwar im Hintergrund die Fäden gezogen, sich aber selten in der Öffentlichkeit exponiert.
Sie selbst schätzt ihre Unbekanntheit als keinen grossen Nachteil ein. «Ich glaube, die Wählerinnen und Wähler wählen nach Persönlichkeit. Sie schauen, in welchem Kandidierenden sie sich selbst wiedererkennen.» Besonders gepunktet habe sie, in dem sie den direkten Draht zur Bevölkerung gesucht und gefunden habe.
Ihr Rucksack mit der Erfahrung als Generalsekretärin und Kommunikationschefin einer nationalen Partei, aber auch der Erfahrung als Co-Geschäftsführerin eines Betriebs, habe die Wählerinnen und Wähler davon überzeugt, dass ihr das Amt der Regierungsrätin zuzutrauen sei.
Ein neuer Job, ein paar Schuhnummern grösser
Als Geschäftsführerin einer Übersetzungsagentur war Bärtschi für zwölf Angestellte verantwortlich. Im Moment sieht es danach aus, als würde sie in der Berner Kantonsregierung die Finanzdirektion leiten – eine Direktion mit 850 Angestellten. Sind Sie dieser Aufgabe gewachsen, Frau Bärtschi? «Ja, ich traue mir diese Aufgabe durchaus zu.»
Auf sie wartet ein Berg Arbeit, sollte sie denn definitiv die Finanzdirektion übernehmen. Der Kanton Bern muss sparen, will gleichzeitig aber auch investieren. Sie wird – zusammen mit dem restlichen Regierungsrat – schwierige Entscheide treffen müssen. «Wenn ich etwas machen wollte, das mir nur Applaus bringt, hätte ich wohl nicht kandidiert», sagt die frisch gebackene Regierungsrätin.
Wenn ich etwas machen wollte, das mir nur Applaus bringt, hätte ich wohl nicht kandidiert.
Ihre politische Heimat war die BDP und ist aktuell die Mitte. Ihr persönliches Glanzresultat konnte von der Partei bei den Parlamentswahlen allerdings nicht bestätigt werden. Die Mitte hat im Berner Grossen Rat Wähleranteile und einen Sitz verloren. Ein Zeichen für den Niedergang sei das nicht, beschwichtigt Bärtschi: «Ich glaube, wir müssen der Mitte noch etwas Zeit geben. Die Fusion ist noch nicht lange her.» Es brauche noch Aufbauarbeit. Sie bleibe zuversichtlich.
Privat hoch zu Ross
Dass Astrid Bärtschi trotz der vielen Arbeit die Balance nicht verliert, dafür sorgt Java Doro, ihr Pferd. «Sie hat viel Vollblut, ist französisch erzogen, war ein intensives Pferd, als sie jung war», schwärmt Bärtschi. Mittlerweile sei Java eine etwas ältere Pferde-Dame. Sie sorge dafür, dass die neue Regierungsrätin trotz neuen Job in der Berner Regierung oft an die frische Luft komme.