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«Mittelalterliche Praktiken» Genf will «Wegtherapieren» von Homosexualität verbieten

  • Das Genfer Kantonsparlament hat über sogenannte Konversionsthearpien debattiert und will sie verbieten. Die Regierung muss nun ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten.
  • Konversionsthearpien sind Massnahmen, welche die sexuelle Orientierung eines Menschen verändern sollen. Sie sind umstritten.
  • Die Fachwelt ist sich einig, dass die sexuelle Orientierung eines Menschen unveränderbar ist – egal, ob sie ausgelebt wird oder nicht.

Im Grundsatz waren sich die Genfer Parlamentarierinnen und Parlamentarier einig: Therapien, die die sexuelle Orientierung oder die Geschlechtsidentität eines Menschen verändern sollen, seien schädlich und gehörten verboten. «Mittelalterliche Praktiken» nannte sie zum Beispiel die Linksaussen-Politikerin Salika Wenger (Ensemble à Gauche). Beobachter vermuten solche Praktiken in konservativ-religiösen Milieus. Es kam nicht einmal zu einer Abstimmung.

Was sind «Konversionstherapien»?

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Homosexualität wurde lange Zeit als psychische Störung missverstanden und geächtet. Erst 1992 wurde Homosexualität aus der Liste der psychischen Störungen gestrichen, die im ICD-10 Katalog aufgelistet sind. Der ICD-10 Katalog ist ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen.

In gewissen evangelikal geprägten Kreisen wird Homosexualität aber häufig noch immer als Krankheit gesehen, die es zu behandeln gilt – dies mittels der sogenannten Konversionstherapie. Dabei handelt es sich um verschiedene Methoden aus der Psychotherapie, die zum Ziel haben, aus Homosexuellen Heteros zu machen.

Die Methode ist hochumstritten. Alle führenden internationalen psychiatrischen und psychologischen Fachgesellschaften lehnen Konversionstherapien ab. Sie könne schädlich sein für die betroffenen Personen und widerspreche den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Homosexualität. Nämlich dass Homosexualität – wie Heterosexualität – einfach eine Variante von Sexualität ist.

Das Genfer Parlament beauftragt die Regierung, einen Gesetzesentwurf auszuarbeiten. Dabei wies die FDP-Fraktion darauf hin, dass es wichtig sei, dass nicht sämtliche Therapien verboten würden. Denn Menschen, die mit ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität haderten, sollen nach wie vor auf professionelle Begleitung zählen können.

Initiativen im Nationalrat hängig

Genf will auch andere Kantone dazu animieren, Konversionstherapien zu verbieten. Eine solche Forderung gibt es bereits in Baselstadt . Zwei parlamentarische Initiativen im Nationalrat fordern ein schweizweites Verbot. Die LGBT-Dachverbände unterstützen ein nationales Verbot, da ein kantonaler Flickenteppich wenig Sinn ergebe, wie sie mitteilten.

Der Bundesrat hat zuletzt vor zwei Jahren Stellung bezogen und festgehalten, dass ein Verbot mit der aktuellen Gesetzgebung nicht möglich sei. Denn Homosexualität sei keine Krankheit und das Behandeln einer Nichtkrankheit sei an und für sich kein Straftatbestand.

In der Zwischenzeit haben jedoch Deutschland und Österreich solche Therapien verboten. Und in Frankreich hat die Nationalversammlung diese Woche ebenfalls einem Gesetz zugestimmt, das Konversionstherapien verbieten soll.

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