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Mobilität im Wandel Gepäckchaos im Zug: Jetzt soll die KI helfen

Mehr Reisende, mehr Gepäck: Die Südostbahn testet, wie sich Gepäckmengen mit KI erfassen und besser steuern lassen.

Koffer, Velos, Kinderwagen und Taschen stellen die Bahnbetreiber vor Herausforderungen. In vielen Zügen, vor allem im Freizeitverkehr, stauen sich Gegenstände in den Eingangsbereichen. Fluchtwege sind blockiert, das Aussteigen verzögert sich, und rollendes Gepäck wird zum Sicherheitsrisiko.

Zwei Fahrräder im Fahrradabteil eines Zuges.
Legende: Schlecht platzierte Velos im Eingangsbereich blockieren Fluchtwege. SOB / ZVG

Bahnen in Tourismusregionen bekommen das zu spüren. Sie reagieren unterschiedlich: bauliche Massnahmen, Personal, das sensibilisiert, Videos sowie Lenkungsmassnahmen mit Sparbilletts sind weit verbreitet – und auch die künstliche Intelligenz soll jetzt Abhilfe schaffen. Die Südostbahn (SOB) testet seit Ende 2023 ein digitales Pilotprojekt, das mithilfe von Kameras und künstlicher Intelligenz erkennt, wie viele Gepäckstücke und Fahrräder sich zu welcher Zeit im Zug befinden.

Denn bisher fehlten verlässliche Daten. «Hochfrequentierte Zeiten mit Pendlerströmen fordern viele Sitzplätze, der Freizeitverkehr hingegen Platz für Velos und Wanderrucksäcke», sagt Urs Brütsch, Leiter Mobilität bei der SOB. Die richtige Balance zu finden, sei eine Herausforderung, der man sich mit diesem System nun gezielt annehme.

Kamera erkennt Gepäck in Echtzeit

Aktuell erfassen die Überwachungskameras in den Zügen der Südostbahn den Eingangsbereich und werten die Bilder mithilfe künstlicher Intelligenz aus. Erkannt werden dabei Fahrräder, Koffer, Taschen und Rucksäcke, Kinderwagen, Skis und Snowboards. Nach jedem Halt übermittelt die Software die Anzahl der erkannten Gepäckstücke. Personen werden nicht erfasst. Aus den gesammelten Daten entstehen erste Statistiken.

«Diese Statistiken helfen uns zu verstehen, wann und wo das Gepäckaufkommen im Zug hoch ist und wann es zu Engpässen kommt», sagt Markus Erne, Leiter Digitalisierung bei der SOB.

Grenzen der Technologie

Noch reichen die vorhandenen Daten laut Erne nicht aus, um wirklich präzise Prognosen zu erstellen. Damit Muster wie Ausreisser oder Trends zuverlässig erkannt werden können, braucht es mehrere Jahre belastbarer Datensätze. Erste Zusammenhänge zeichnen sich zwar bereits ab: Saison, Ferienzeit, Wetter oder Wochenendtage haben klaren Einfluss darauf, wie gross das Chaos ist. Auch bei den gemessenen Strecken zeigen sich Unterschiede. Die Analyse steckt jedoch noch in den Anfängen.

Reisende mit Koffern auf Bahnsteig, Zug im Hintergrund.
Legende: Immer mehr Passagiere reisen mit viel Gepäck. Das spürt auch die Südostbahn (SOB). SOB / ZVG

Technologie allein reicht nicht aus. Sie liefert lediglich die Datengrundlage – es braucht aber auch Veränderungen in den Zügen. Deshalb soll die Objekterkennung künftig mit weiteren Ansätzen kombiniert werden.

So ist etwa der Einsatz von Zugwagen mit flexiblen Abteilen geplant, um bei Bedarf zusätzlichen Raum zu schaffen. Einen ersten Versuch zur flexiblen Flächennutzung hat die SOB bereits im vergangenen Jahr abgeschlossen. Dieser soll nun weiterentwickelt und auf weitere Strecken ausgeweitet werden.

Gemeinsam mit den Prognosen aus der Video-Objekterkennung sollen ab kommendem Jahr auf zwölf Traverso-Fahrzeugen entsprechend getestete Wagen eingesetzt werden. Ziel ist es, zur richtigen Zeit am richtigen Ort Sitz- oder Ablageflächen bereitzustellen.

Tagesschau, 30.7.2025, 19:30 Uhr; wilh

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