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Nach Gaza-Demo in Bern Polizeieinsatz in Bern: Amnesty spricht von «Gewaltwucht»

  • Nach der Gaza-Demo in Bern von Mitte Oktober kritisiert Amnesty International Schweiz den Einsatz der Polizei.
  • Die Polizei habe ungerechtfertigt und unverhältnismässig Gewalt angewendet.
  • Amnesty fordert eine unabhängige Untersuchung des Polizeieinsatzes.
  • Die Berner Kantonspolizei sagt, der Einsatz sei verhältnismässig gewesen.

Mehrere Stunden Videomaterial, über 180 Zeuginnen und Zeugen, Beobachtungen vor Ort. Dies alles habe man ausgewertet und sei zum Schluss gekommen, dass die Polizei während der Palästina-Demonstration in Bern «exzessive Gewalt» angewendet habe. Das sagt der Mediensprecher von Amnesty International Schweiz, Beat Gerber.

Polizisten in Kampfmontur sind in der Berner Innenstadt unterwegs an der Palästina-Demonstration.
Legende: Amnesty International Schweiz kritisiert den Polizeieinsatz an der Palästina-Demo am 11. Oktober in Bern KEYSTONE / Peter Klaunzer

Beispielsweise seien nicht nur zwei Personen verletzt worden, wie von der Polizei angegeben, sondern 326. Ausserdem habe die Polizei enorm viele Mittel eingesetzt: 1100 Stück Gummischrot, 320 Einzelgeschosse und 25'000 Liter Wasser aus den Wasserwerfern. Gummigeschosse seien teilweise auf Kopfhöhe abgefeuert worden.

«Das war eine enorme Wucht an Mitteln», so Gerber. Und das habe auch heftige Folgen für viele Demonstrierende gehabt. So wisse man von Unbeteiligten und von solchen, die friedlich demonstrierten, die von der Polizei eingekesselt worden seien.

Unabhängige Untersuchung gefordert

«Eine hochschwangere Frau ist unvermittelt im Kessel gelandet», beschreibt Beat Gerber eine Situation. Sie sei an ein Schaufenster gedrückt worden, und nur dank dessen, dass eine Verkäuferin ihr die Türe aufmachte, habe sie sich aus der Situation retten können.

Das sei nur ein Beispiel von ganz vielen, sagt Gerber. Deshalb fordert Amnesty International Schweiz eine unabhängige Untersuchung des Polizeieinsatzes. Beispielsweise durch einen ausserkantonalen Staatsanwalt, der Weisungsbefugnis hätte, «damit sich auch wirklich etwas verändern würde», so der Mediensprecher von Amnesty.

Polizei wehrt sich gegen Vorwürfe

«Man muss das gesamte Geschehen und die Dynamik der Situation im Gesamtkontext betrachten», sagt der Chef der Regionalpolizei Bern, Manuel Willi. Ein erheblicher Teil der Teilnehmenden an der unbewilligten Kundgebung habe enorme Sachschäden verursacht und unter anderem gezielt Brände gelegt und die Verletzung von unbeteiligten Dritten in Kauf genommen.

Dass viele Unbeteiligte eingekesselt wurden, diesem Vorwurf widerspricht Willi: «Wir haben festgestellt, dass die Eingekesselten praktisch alle schwarz gekleidet waren.» Danach hätten sie die schwarzen Kleider ausgezogen und liegen gelassen, «wir haben über eine halbe Tonne davon entsorgt».

Im Vordergrund Polizei in Kampfmontur, die den Teilnehmenden der Palästina-Demo gegenüber steht.
Legende: «Die Einsatzkräfte wurden von zwei Seiten angegriffen und massiv mit Gegenständen beworfen», sagt der Chef der Regionalpolizei Bern, Manuel Willi. KEYSTONE / Peter Klaunzer

Der Einsatz sei sehr dynamisch und unübersichtlich gewesen. Insbesondere in der Schauplatzgasse seien die Einsatzkräfte von zwei Seiten angegriffen und massiv mit Gegenständen beworfen worden.

«Dabei sind wohl gewisse Gummigeschosse aus näherer Distanz abgegeben worden», so Willi. Gemäss seiner Erkenntnis gehe die Polizei jedoch davon aus, dass es sich dabei klar um Notwehr- und Nothilfesituationen gehandelt habe.

Pyromaterial und Spraydosen liegen aufgereiht auf einem Tisch.
Legende: Dieses Material ist laut Berner Kantonspolizei an der unbewilligten Palästina-Kundgebung am 11. Oktober gezündet oder verwendet worden. KEYSTONE / Adrian Reusser

Dass es eine solche Diskrepanz bei den Zahlen zu den Verletzten gibt, erklärt sich der Chef der Regionalpolizei damit, dass man nur darüber kommunizieren könne, was bekannt sei: «Bei uns ist nur eine einzige Anzeige eingegangen, sonst sind uns keine weiteren Verletzungen bekannt.»

Mit einer unabhängigen Untersuchung, wie sie Amnesty fordert, wäre Manuel Willi grundsätzlich einverstanden. Aber: «Aus unserer Sicht greift es zu kurz, wenn man nur das polizeiliche Handeln anschaut. Es müssen sämtliche Faktoren und Akteure angeschaut werden.»

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SRF 4 News, 16.12.2025, 5:00 Uhr ; 

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