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Nach Lauber-Rücktritt Wie geht es mit der Bundesanwaltschaft weiter?

Der angeschlagene Bundesanwalt Michael Lauber schafft Klarheit und gibt sein Amt ab. Doch es bleiben Fragen offen.

Tage nach seinem Angebot ist der erwartete Abgang da: Bundesanwalt Michael Lauber kündigt auf Ende Januar 2021. Wegen Ferienguthaben gibt er sein Amt schon Ende August ab.

Warum hat der Bundesanwalt erst jetzt gekündigt? Lauber wollte mit der Gerichtskommission die Modalitäten seines Rücktritts verhandeln. Viele dachten, Lauber plane einen letzten Winkelzug – wolle eine Entschädigung. Ob er mit dem Rücktrittsangebot doch noch auf eine überraschende Wendung hoffte, weiss nur der Bundesanwalt selber.

Laubers Problem war: Die Gerichtskommission war in den letzten Tagen gar nicht beschlussfähig. Er konnte nichts verhandeln. Laut Verordnung kann er gar nicht zurücktreten, er muss regulär künden mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist. Das von ihm in Aussicht gestellte Schreiben war nun aber unmissverständlich: Er wirf hin und kündet.

Bekommt der Bundesanwalt noch Geld? Nein, weil er von sich aus geht, steht ihm gemäss Verordnung über das Arbeitsverhältnis und die Besoldung des Bundesanwalts keine Entschädigung mehr zu. Über eine Entschädigung hätte sowieso die Finanzdelegation und zuallererst die mit ihm zerstrittene Aufsicht über die Bundesanwaltschaft entscheiden müssen.

Wer übernimmt Laubers Posten? Michael Lauber gibt sein Amt Ende August ab. Ab dem 1. September – bis zum ordentlichen Rücktritt – übernehmen seine beiden Stellvertreter, beide langjährige Mitarbeiter der Bundesanwaltschaft. Der «operative Betrieb» bleibe so gewährleistet.

Eine Nachfolgerin oder ein Nachfolger wird wohl frühestens in der Wintersession gewählt – wieder von der Bundesversammlung. Nachdem drei Deutschschweizer Bundesanwälte hintereinander gescheitert sind, meldeten sich Westschweizer Politiker: Laubers Nachfolgerin oder Nachfolger müsse aus der Romandie kommen.

Was passiert mit dem Amtsenthebungsverfahren? Am 19. August trifft sich die Gerichtskommission des Parlaments zur nächsten ordentlichen Sitzung. Thema ist das weitere Vorgehen nach der Kündigung Laubers. Und die Frage, was mit dem Amtsenthebungsverfahren passiert, das die Kommission im Mai gegen Lauber eingeleitet hatte. Die Kommission könnte das Verfahren einstellen. Oder sie stellt auf die Herbstsession im September trotz Kündigung den Antrag auf Amtsenthebung. Denn Lauber ist bis Januar 2021 offiziell Bundesanwalt.

Wie geht es mit der Bundesanwaltschaft weiter? Die Pläne für eine Reform sind nicht neu, doch nach Laubers Rücktrittsangebot letzte Woche war die Sonntagspresse voll damit. Die Geschäftsprüfungskommissionen des Parlaments haben selber «umfangreiche Expertisen» in Auftrag gegeben. Die radikalste Option: Umkehr zum System vor 2011, dann wäre der Bundesanwalt wieder dem Bundesrat unterstellt.

Eine andere Variante: Die Kompetenzen gehen in die Kantone zurück, die Bundesanwaltschaft würde noch koordinierend arbeiten. Oder: Die Leitung der Bundesanwaltschaft wird durch ein Kollegium übernommen. Anfang 2021 sollen erste Ideen auf dem Tisch liegen – dann, wenn Laubers Nachfolge schon gewählt sein sollte.

Politik will Bundesanwaltschaft reformieren

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Legende: Keystone/Archiv

«Es ist zu begrüssen, dass Klarheit herrscht», sagt FDP-Ständerat Andrea Caroni. Jetzt sei rechtsgültig bestätigt, dass Lauber sein Amt verlassen werde, so der Präsident der Gerichtskommission der Eidgenössischen Räte. Eine Neubesetzung des Postens in der in der Wintersession sei nun realistisch.

Die Person werde vor allem eine Eigenschaft mitbringen müssen, sagt der Vizepräsident der Gerichtskommission, Matthias Aebischer (SP): Offenheit für Veränderungen. «Sie oder er muss dieser Revision positiv gesinnt sein.» Nach der Lauber-Krise scheint klar, dass es rund um die Bundesanwaltschaft Veränderungen geben muss.

Die Geschäftsprüfungskommissionen der Räte haben deshalb externe Gutachten in Auftrag gegeben, sagt der Präsident der zuständigen Subkommission, SP-Ständerat Hans Stöckli. Die Optionen reichen vom «Zurück in die Vergangenheit» über die Optimierung des heutigen Systems mit einer gestärkten Aufsicht bis hin zu neuen Modellen.

CVP-Ständerat Beat Rieder warnt davor, das Rad zurückzudrehen und die Behörde dem Bundesrat zu unterstellen. Damit würde die Bundesanwaltschaft verpolitisiert: «Wegen eines Einzelfalls sollte man nicht die gesamte Organisation der Bundesanwaltschaft infrage stellen.»

Rieder hält auch wenig von neuen Modellen, bei welchen zum Beispiel Kompetenzen an die Kantone zurückgegeben werden sollen. «Stattdessen müsste man die Aufsicht über die Bundesanwaltschaft stärken.» Denn mit den jetzigen Ressourcen sei diese nicht in der Lage, ein so grosses Gebilde wie die Bundesanwaltschaft effizient zu kontrollieren. (waso)

Tagesschau, 29.7.2020, 12:45 Uhr

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