Näher an die Basis: Die SP soll zur Mitmach-Partei werden. Das ist das Ziel der SP-Spitze, wie Co-Präsidentin Mattea Meyer sagt: «Für uns ist Politik nicht einfach nur das, was im Bundeshaus passiert, sondern auch das, was auf der Strasse stattfindet wie beim Klima- oder Frauenstreik.» Man wolle ein Ort sein, wo sich vom Regierungsrat bis zur Klimastreikaktivistin alle auf ihre Art und Weise engagieren könnten.
Die SP will sich also stärker öffnen für soziale Bewegungen – und insbesondere auch die eigenen Kantonalparteien besser einbinden: «Weil sie in ganz vielen Themenfeldern sehr stark betroffen sind. Und deshalb soll sie mit ihren vielen guten Ideen auch die nationale Politik prägen können, damit das für die ganze SP Schweiz eine Stärkung darstellen wird», erklärt Meyer.
Parteirat und Parteitage
Das Ziel ist also, näher zur eigenen Basis zu rücken, indem die Geschäftsleitung der Partei abgeschafft wird – und dafür ein neues Gremium entsteht: ein 80-köpfiger Parteirat.
Diesem Parteirat sollen die verschiedenen Teile der Partei angehören: die Kantonalparteien, die Jungsozialisten, die Migrantinnen, die SP-Frauen und weitere. Dieser Parteirat trifft sich alle zwei Monate und bestimmt die Ausrichtung der SP-Politik mit.
Eine zweite Änderung: Die SP-Spitze will die Delegiertenversammlungen, die jedes Quartal stattfinden, durch zwei grosse Parteitage im Jahr ersetzen.
«Parteirat ist nicht die Basis»
Bei der Sozialdemokratischen Partei sind also grosse Veränderungen geplant – bei Beobachtern fällt das Urteil dazu vorsichtig positiv aus:
Politologe Claude Longchamp findet es zwingend, dass die Partei auf die Niederlage bei den letzten nationalen Wahlen reagiert und sich gegenüber neuen sozialen Bewegungen öffnet: «Ich sehe hier durchaus Möglichkeiten der verstärkten Einbindung, wie das an anderen Orten durchaus auch schon geschieht», sagt Longchamp mit Blick auf die SP Basel-Stadt.
Etwas skeptischer reagiert Politgeograf Michael Hermann, der die SP ebenfalls seit Jahren genau beobachtet. Dass sich die Partei verändern wolle, sei auf jeden Fall richtig. Aber sein Fazit fällt zwiespältig aus: «Zum einen kann die innerparteiliche Debatte mit diesem Parteirat belebt werden, zum anderen ist es nicht wirklich eine Öffnung der Partei», gibt Hermann zu Bedenken.
«Achtzig Leute, das ist immer noch eine Elite, das ist nicht die Basis.» Er frage sich, ob das Element des Mitmachens, des Öffnens für andere Gruppen mit dieser Reform wirklich gegeben sei.
Letztes Wort hat die Basis
Bei den Nationalratswahlen 2019 hat die SP klar verloren – umso wichtiger werden für sie die nächsten Wahlen 2023. Claude Longchamp bezweifelt, dass die geplante Reorganisation bis dann bereits spürbar sein wird:
«Mittelfristig halte ich es aber für richtig, dass man die Partei darauf einstellt, dass sie in einer Gesellschaft politisieren will, die flexibler, aktiver und engagierter geworden ist, wie wir das jüngst bei verschiedenen Abstimmungen gesehen haben.» Auf das müsse sich die Partei einstellen, wenn sie erfolgreich sein wolle.
Die neuen Ideen von Mattea Meyer und Cédric Wermuth stossen bei Politbeobachtern also grundsätzlich auf Zustimmung. Ob sie auch bei der Partei selbst auf Wohlwollen stossen, wird sich im August zeigen: Denn der SP-Parteitag muss den Plänen noch zustimmen.