Er habe bereits feste Termine in Wien, Rom und Berlin, so Candinas. Als weitere Auslandsdestinationen nennt er Südamerika, Vietnam und Singapur. «Ich bin mit den Parlamentsdiensten am Abklären, wo wir am meisten Potenzial haben, auf der Beziehungsebene mehr machen zu können.»
Seine Vorgängerin im Amt, Irène Kälin (Grüne/AG), war nach Kiew gereist und hatte damit die Solidarität mit der Ukraine gezeigt. Candinas schliesst das nicht aus, aber «die Aktualität war damals sehr gross». Für ihn sei wichtig, «den Fokus nicht nur auf Europa zu setzen, sondern auch auf Asien und Südamerika». Jeder Ratspräsident solle seine eigenen Schwerpunkte setzen und so auch eine vielfältige Schweiz im Ausland repräsentieren.
Beziehungspflege, nicht Aussenpolitik
Nun ist aber die Aussenpolitik eine Domäne der Landesregierung. Candinas betont: «Es ist wichtig, dass wir auf parlamentarischer Ebene gewisse Beziehungen pflegen. Das ist auch unsere Aufgabe, auch wenn der Bundesrat in erster Linie für die Aussenpolitik zuständig ist. Aber alle Standorte, die ich auswähle, erfolgen in Absprache mit dem Aussendepartement und dem Staatssekretariat für Wirtschaft.»
Am Schluss liege sein Fokus aber auf dem Inland. Es gebe Botschafter aller Länder, die in der Schweiz seien und hier ihre Länder vertreten. Die Beziehungen möchte er darum auch mit den Botschaftern pflegen.
Romontsch Sursilvan im Nationalrat
Als Präsident des Nationalrates ist Martin Candinas ein Jahr lang «höchster Schweizer». Der Bündner möchte dabei das Rätoromanische stärken, indem er auch im Nationalrat möglichst oft seine Muttersprache spricht.
Es gehe ihm um eine Sensibilisierung für diese Sprache, er möchte aber dem Rat nicht auf die Nerven gehen mit dem Rätoromanischen. Bei den Worterteilungen folgten immer etwa die gleichen Wörter. «Das Rätoromanische wird gelebt, das ist nicht nur Folklore, sondern eine sehr lebendige Sprache, die heute noch von 60'000 Menschen gesprochen wird und die stolz darauf sind, dass dies ihre Muttersprache ist.»
Um das zu erleichtern, liess Candinas eine Broschüre mit den wichtigsten Begriffen aus dem Parlamentsbetrieb drucken, die in den Landessprachen und dem Idiom Sursilvan übersetzt sind.
Vademecum
Wörterbücher gebe es schon, aber eben für Parlamentsbegriffe noch nicht, erklärt Candinas. Alt Nationalratspräsidentin Marina Carobbio (SP/TI) habe das damals für das Italienische gemacht, was für ihn Motivation war, es auch für das Rätoromanische zu machen. «Wir sind ein viersprachiges Land und wenn wir das in den 1.-August-Reden immer wieder erwähnen, dann darf man in diesem Jahr schon ein paar Wörter Rätoromanisch lernen.»
Anspruchsvolles Wahljahr
Auf die anstehenden Nationalratswahlen im Oktober angesprochen, sagt Candinas: «In einem Wahljahr wird es immer anspruchsvoller im Parlament, denn alle wollen noch einmal ihre Position pointierter kundtun. Es ist richtig, in der Sache eine harte Debatte zu führen. Aber meine Erwartung ist, dass das respektvoll erfolgt, um Lösungen zu finden, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist.»
Sein Ziel sei es nicht, auf den Tisch klopfen zu müssen. Naturgemäss seien die Fraktionen unterschiedlicher Meinung. Aber auch in einem Wahljahr solle mit gegenseitigem Respekt politisiert werden.