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Neue Massnahmen am Freitag Inselspital-Chef: «Das Dringendste sind nationale Massnahmen»

Schweizer Uni-Spitäler richteten einen Warnruf an die Regierung – die Spitäler kämen an ihre Schmerzgrenze, die Betten auf den Intensivstationen würden knapp, das Personal sei überlastet. Gesundheitsminister Alain Berset und die kantonalen Gesundheitsdirektoren haben aber erst für Freitag eine Verschärfung der Corona-Massnahmen in Aussicht gestellt. Zu spät? Uwe E. Jocham, Direktionspräsident vom Inselspital nimmt Stellung.

Uwe E. Jocham

Direktionspräsident Inselspital

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Uwe E. Jocham ist seit Dezember 2017 Verwaltungsrat und seit dem 1. Februar 2018 auch Direktionspräsident der Insel Gruppe Bern.

SRF: Vor Freitag gibt es keine neuen Massnahmen. Was sagen Sie dazu?

Uwe E. Jocham: Schauen Sie, jeder Tag früher wäre besser. Auf der anderen Seite: Wir sind froh, dass unser Appell angekommen ist. Wir haben die Reaktionen gesehen und wir hoffen nun, dass sie zu Massnahmen führen werden.

Was halten Sie für das Dringendste?

Das Dringendste aus meiner Sicht wäre, wenn wir wirklich bundesweit einheitliche Massnahmen hätten. Wenn man zum Beispiel sagt, man schliesst die Restaurants zu einer bestimmten Zeit, dann bitte in der ganzen Schweiz. Oder wenn noch weitergehende Massnahmen ergriffen werden müssten, die die Kontakte zu reduzieren. Das Wichtigste ist aber: Das sollte in allen Kantonen gleich erfolgen.

Ein Lockdown, das wird gefordert, zum Beispiel von der Uni Zürich. Würden Sie den unterstützen?

Es ist ein sehr harter Schritt, einen Lockdown umzusetzen. Aber wenn es darum geht, Kontakte zu reduzieren, ist ein Lockdown auch ein Mittel, das zu erreichen.

Wie lange könnten Sie bei Ihnen im Inselspital auf diesem hohen Niveau noch weitermachen?

Das ist eine ganz schwierige Frage. Sie müssen wissen, dieses Niveau ist etwa dreimal so hoch wie in der ersten Welle. Wir sind jetzt bereits seit Mitte Oktober auf diesem Niveau. Und derzeit sieht man nicht nur keine Reduktion, die Zahlen steigen bereits wieder. Es ist eine grosse Belastung und Herausforderung für das Personal, das jetzt über Monate bereits diese erhöhten Zahlen an Patienten behandeln muss. Aber auch die Schliessung von einer grossen Zahl von Operationsräumen bei uns ist ein Problem. Über ein Drittel unserer Operationskapazitäten ist jetzt seit Monaten ausgeschaltet, nicht aktiv.

Heisst das, dass die sogenannten elektiven Eingriffe, also die verschiebbaren Eingriffe, wirklich auf Null gefahren wurden?

Die sind praktisch bei uns nun seit vielen Wochen auf Null. Wenn Sie aber im Oktober einen Patienten verschoben haben, der etwa zwei Monate den Eingriff noch gut verschieben konnte, dann wäre es jetzt im Dezember wirklich notwendig, diesen Eingriff durchzuführen.

Vom Bundesrat hat man zu Beginn dieser zweiten Welle gehört: Wir wissen viel mehr, das ist der Vorteil gegenüber der ersten Welle. Nun ist trotzdem alles schlimmer als in der ersten Welle. War man trotzdem nicht richtig vorbereitet?

Wir haben sehr viel gelernt in der ersten Welle. Die erste Welle ist in vielen Kantonen deutlich niedriger ausgefallen. Wir hatten damals per Gesetz alle Operationen einstellen müssen, hatten an vielen Orten halbleere Spitäler oder Kurzarbeit. Diesmal sind wir in der Lage, eine deutlich höhere Zahl an Covid-Patienten parallel zu den normalen Patienten zu behandeln. Das ist ein grosser Fortschritt, aber auch eine enorme Belastung für das Personal. Dort kommen wir derzeit an unsere Grenzen.

Diese Einschränkungen vom Frühling: Bräuchte es die jetzt nicht auch?

Wenn sich die Situation weiter verschärft, braucht es auch wieder schweizweite Massnahmen. Eine ausserordentliche Lage würde wohl dann auch im Gesundheitssystem Eingriffe wieder ermöglichen oder auch bedeuten.

Das Gespräch führte Gion-Duri Vincenz.

Tagesschau; 14.12.2020; 18 Uhr ; 

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