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Neue Verträge mit der EU Wie sich das Vertragspaket auf die Zuwanderung auswirken würde

Das Abkommen über die Personenfreizügigkeit ist das am stärksten umstrittene aller Bilateralen. Auch im Zusammenhang mit den neuen Verträgen zwischen der Schweiz und der EU gibt die Zuwanderung zu reden. Nur: Einfluss auf die Zuwanderung hätten die neuen Verträge kaum. Das sind die Gründe.

1. Grundsatz bleibt: Wer arbeitet, darf kommen

EU-Bürgerinnen und EU-Bürger mit einem Arbeitsvertrag oder ausreichend Vermögen dürfen mit ihrer Familie in die Schweiz kommen. Das gilt auch für Schweizerinnen und Schweizer, die in die EU ziehen wollen. Die meisten Zugewanderten kämen, weil die Wirtschaft sie brauche, heisst es vom Staatssekretariat für Wirtschaft Seco. Beim Grundsatz, dass aus der EU kommen darf, wer Arbeit hat, gibt es keine Anpassungen.

2. Wenige Paare erhalten zusätzliche Rechte

Der Bundesrat schreibt, es sei «davon auszugehen, dass es sich um eine vernachlässigbare Anzahl von zusätzlichen Personen handelt, die aufgrund der neuen Rechte […] in die Schweiz einwandern würde.» Konkret geht es dabei um gleichgeschlechtliche Paare. Künftig hätte der Partner oder die Partnerin einer Arbeitskraft Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung. Das Staatssekretariat für Migration erklärt: «In der Praxis werden viele dieser Personen bereits heute zugelassen.»

Es ist davon auszugehen, dass es sich um eine vernachlässigbare Anzahl von zusätzlichen Personen handelt, die aufgrund der neuen Rechte […] in die Schweiz einwandern würde.
Autor: Bundesrat im erläuternden Bericht zur Vernehmlassungsvorlage

Konkrete Zahlen liefert der Bund nicht. Es dürften wohl einige Hundert Personen zusätzlich einwandern im Vergleich zu heute. Die direkten Auswirkungen der neuen Verträge auf die Zuwanderung wären also klein.

Vereinbar mit dem Volksentscheid zur SVP-Zuwanderungsinitiative?

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2014 hat die Schweiz die Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» der SVP angenommen. Sie verbietet den Abschluss neuer völkerrechtlicher Verträge, wenn diese die Steuerung der Zuwanderung über Höchstzahlen und Kontingente verhindern. Das Bundesamt für Justiz kam in seiner Analyse zum Schluss, dass das neue Vertragspaket mit der Verfassungsbestimmung vereinbar sei. Es erlaube «einem eng begrenzten Personenkreis» neu die Zuwanderung. Eine allfällige Mehr-Zuwanderung aufgrund der neuen Verträge könne kompensiert werden, indem weniger Menschen von Staaten ausserhalb der EU eine Aufenthaltserlaubnis erhalten.

3. Schweiz hätte Veto-Recht bei neuen Zuwanderungsregeln

Neu verpflichtet sich die Schweiz dazu, Weiterentwicklungen des EU-Rechts bei der Personenfreizügigkeit sogenannt dynamisch zu übernehmen.  Damit ist eine Anpassung der Regeln in Zukunft denkbar, was zu mehr Zuwanderung führen könnte. Matthias Oesch, Professor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Zürich, spricht deshalb von einem «erheblichen Integrationsschritt».

Polizistin kontrolliert Auto auf Strasse in Basel.
Legende: Beim Grundsatz, dass aus der EU kommen darf, wer einen Arbeitsvertrag hat, gibt es keine Änderungen. (Bild: Mitarbeitende des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit bei Basel) KEYSTONE/Christian Beutler)

Im Einzelfall könnte die Schweiz entscheiden, ob sie Anpassungen tatsächlich übernimmt. Täte sie das nicht, hätte die EU das Recht, Ausgleichsmassnahmen zu ergreifen. Die Schweiz hat also ein Veto bei Lockerungen der Zuwanderungsregeln, das aber mit einem politischen Preis verbunden wäre.

4. Lockerungen durch den Europäischen Gerichtshof «nicht realistisch»

Was, wenn die EU-Seite die Regeln nicht politisch lockert, sondern juristisch, durch den Europäischen Gerichtshof? Europarechtler Oesch sagt, die Schweiz akzeptiere, dass auch künftige Urteile des Gerichtshofs Auswirkungen auf das bilaterale Verhältnis hätten.

Der Gerichtshof könne die Zuwanderungsregeln aber nicht einfach ausbauen: «Die EU und die Schweiz haben den Verträgen extra eine Erklärung beigefügt.» Weiterentwicklungen der Personenfreizügigkeit auf der Basis der Unionsbürgerschaft seien für die Schweiz daher nicht verbindlich. Das Staatssekretariat für Migration erklärt, eine verstärkte Zuwanderung infolge neuer EuGH-Rechtssprechung sei «nicht wirklich realistisch».

5. Kein Rückgang der Zuwanderung in Sicht

Die Zuwanderung dürfte aufgrund der neuen Verträge auch nicht zurückgehen. Die neu ausgehandelte Schutzklausel, die als Zuwanderungsnotbremse wirken soll, wird praktisch nur schwer zu aktivieren sein. Sie ist kein Instrument für die Steuerung der Zuwanderung, sondern eine Art Notfallmechanismus. Ihr Einfluss auf die Zuwanderung dürfte in der Praxis deshalb klein sein.

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Echo der Zeit, 30.7.2025, 18:00 Uhr

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