Die Wirtschaft und die Bauern hatten das Heu lange nicht auf der gleichen Bühne, doch jetzt hat man sich zusammengerauft. Die grossen Wirtschaftsdachorganisationen Economiesuisse, Arbeitgeber- und Gewerbeverband bilden mit dem Bauernverband eine Wirtschaftsallianz. Am Donnerstag traten sie erstmals vereint auf.
Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder beschreibt das Hauptziel der neuen Wirtschaftsallianz so: «Eine wirtschaftsfreundliche Standortpolitik voranbringen und eine Wirtschaftspolitik betreiben, die für die Interessen des Landes aus wirtschaftlicher Sicht am besten geeignet ist.»
Mit dieser schlagkräftigen Kooperation wollen die vier Verbände im Bundeshaus die bürgerliche Mehrheit absichern und Abstimmungen gewinnen. Es brauche diese Zusammenarbeit, so Gewerbeverbands-Präsident Fabio Regazzi, um der Schweiz Stabilität in unsicheren Zeiten zu bringen. Regazzi ist zuversichtlich, dass man bei Abstimmungen bessere Resultate erzielen werde.
Dass Wirtschaft und Landwirtschaft jedoch nicht bei allen Anliegen zu 100 Prozent übereinstimmen, sei klar, sagt der Präsident des Arbeitgeberverbandes, Valentin Vogt: «Wir haben bei den Dossiers 80 Prozent Übereinstimmung. Die Frage ist, ob man auf den 20 Prozent Unstimmigkeiten herumreiten soll. Ist das Glas also halb voll oder halb leer?»
Und der Freihandel?
Mit Unstimmigkeiten meint Vogt vor allem den Freihandel: Die Wirtschaft kämpft für offene Grenzen und weniger Zölle, die Bauern hingegen wollen den Zollschutz, um billige Importprodukte zu verhindern.
Doch da finde man sich, sagt Bauernpräsident Markus Ritter, weil die Schweiz nicht alle Nahrungsmittel selbst herstellen könne: «Es braucht in einzelnen Abkommen wie etwa mit Indonesien Zugeständnisse. Die tun uns nicht weh und wir können damit umgehen und geben so anderen Ländern eine Chance auf dem Schweizer Markt.» Und gerade dafür sei die neue Allianz wichtig – um von Anfang an mitreden zu können.
Geeint sind die vier Verbände auch bei ihrer ersten gemeinsamen offiziellen Amtshandlung; die Parolen zu den Abstimmungen am 25. September. Nein sagen sie zur Massentierhaltungsinitiative und Ja zu den zwei Reformvorlagen «Stabilisierung der AHV» und «Teilabschaffung der Verrechnungssteuer». Nach diesen Abstimmungen werde man auch über die Zusammenarbeit für die Eidgenössischen Wahlen 2023 informieren, erklärte Bauernpräsident Ritter.
SP und Grüne: Kuhhandel von Bauernfunktionären
Bei SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer hinterlässt das neue Wirtschaftsbündnis keinen grossen Eindruck. Sie kann sich nicht vorstellen, dass die Landwirte jetzt Abstimmungsplakate zur Teilabschaffung der Verrechnungssteuer auf ihren Höfen aufstellen: «Hier haben Funktionäre des Bauernverbandes einen Kuhhandel gemacht mit Economiesuisse. Bauernpräsident Ritter sichert sich die Subventionen und erfüllt dabei die Wünsche der Grosskonzerne.»
Meyer sieht der Allianz gelassen entgegen, denn die Bürgerlichen und die Wirtschaft hätten in der Vergangenheit mehrfach an der Urne verloren in Steuerfragen, zuletzt im Februar bei der Stempelsteuer. Laut Grünen-Chef Balthasar Glättli muss sich der Bauernverband fragen, ob er seine Mitglieder noch vertrete, wenn er einfach zur Kampforganisation der Grosskonzerne werde.