Darum geht es: Weniger Geburten, weniger Ehen – das ist das Fazit des Bundesamtes für Statistik (BFS). Durchschnittlich brachten die Frauen in der Schweiz letztes Jahr 1.3 Kinder auf die Welt. Vor zehn Jahren waren es noch 1.5. Und auch das traditionelle Lebensmodell, das lange mit Kinder kriegen einherging, die Ehe, kommt immer mehr aus der Mode.
Weniger Geburten: Im vergangenen Jahr kamen in der Schweiz 78'300 Kinder zur Welt. Laut BFS sind das 1800 weniger als im Vorjahr. Seit drei Jahren lässt sich ein deutlicher Rückgang beobachten – dieser habe sich zuletzt allerdings verlangsamt, schreiben die Verantwortlichen. Zusammen mit einer leicht zunehmenden Anzahl Todesfälle beläuft sich der Geburtenüberschuss, das heisst die Differenz zwischen Geburten und Todesfällen, auf plus 6300 Personen. Laut Bundesamt für Statistik handelt es sich dabei um den tiefsten Wert seit über 100 Jahren. Und so schnell dürfte sich das nicht ändern. Denn auf die vielen geburtenstarken Jahrgänge der vergangenen Jahrzehnte folgen pro Familie immer weniger Kinder.
Kleinere Familien: Eine Frau ist heute hierzulande 31.3 Jahre alt im Durchschnitt, wenn sie ihr erstes Kind bekommt. Und dabei bleibt es auch immer häufiger, wie die neuen Zahlen zeigen. So sind im letzten Jahr die Drittgeburten (-3.6 Prozent) und die Zweitgeburten (-2.8 Prozent) besonders stark zurückgegangen. Die Erstgeburten dagegen hätten sich um 1.5 Prozent und damit weniger deutlich verringert, schreibt das BFS. Die Verantwortlichen kommen darum zum Schluss: Die seit Jahren sinkenden Geburtenraten hemmen damit weniger die Gründung, sondern vielmehr die Vergrösserung von Familien.
Weniger neue Ehen, mehr Scheidungen: Aus der Statistik fürs Jahr 2024 geht auch hervor, dass im vergangenen Jahr weniger Ehen geschlossen wurden (36'800) als 2023. Die Anzahl Eheschliessungen ging somit um 2.6 Prozent zurück. Abgesehen von den Pandemiejahren 2020 und 2021 handelt es sich um den tiefsten Wert seit 1981. Die Anzahl Scheidungen stiegen um 3.6 Prozent an und die durchschnittliche Ehedauer bei der Scheidung erhöhte sich auf 15.8 Jahre. Im langjährigen Vergleich haben sich die Scheidungszahlen in den letzten 15 Jahren jedoch stabilisiert. Zuvor waren sie jahrzehntelang angestiegen.
Geografische Unterschiede: Der Rückgang bei den Eheschliessungen lässt sich in der ganzen Schweiz beobachten. Auffällig sind einzig leicht tiefere Zahlen in der Westschweiz sowie Ausreisser in der Form der Kantone Glarus, St. Gallen und Aargau, wo 2024 im Vergleich zum Jahr 2007 mehr Menschen heirateten (die beiden letztgenannten wiesen allerdings auch ein hohes Bevölkerungswachstum auf). Beim Geburtenrückgang fällt auf, dass viele Bündner Berggebiete betroffen sind. Aber auch in der grössten Stadt der Schweiz, Zürich, sind die Zahlen im Vergleich zu vor zehn Jahren deutlich zurückgegangen (minus 14 Prozent).
Das sagt die Expertin: Die klassische Ehe sei heute nur eine unter vielen Beziehungsformen, erklärt Katja Rost, Soziologieprofessorin an der Universität Zürich. Ob Menschen heiraten oder nicht, habe jedoch weniger entscheidende Folgen für die Gesellschaft als eine rückläufige Geburtenrate: «Das hat direkte Auswirkungen auf unseren Wohlfahrtsstaat und Bildungseinrichtungen.» In Bezug auf das Kinderkriegen brauche es einen gesellschaftlichen Mentalitätswandel: «Kinder werden heute als Ballast für die Eltern gesehen.»