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Neuer Kopf für EU-Dossier? Ablösung von Chefunterhändler Roberto Balzaretti erwartet

Ein Wechsel beim EU-Dossier könnte Klärungen zum Rahmenabkommen begünstigen. Der Bundesrat entscheidet am Mittwoch.

Die Tamedia-Zeitungen sprechen von einem Erdbeben im EDA: Roberto Balzaretti, der ranghöchste Schweizer Diplomat, soll am Mittwoch vom Bundesrat abgesetzt werden und sein Amt als EU-Chefunterhändler abgeben. Er war wegen der Verhandlungen über ein Rahmenabkommen mit der EU kritisiert worden. Oliver Washington im Bundeshaus zu dieser Kritik und zum Verhandlungsstand mit der EU.

Oliver Washington

Bundeshausredaktor

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Oliver Washington ist seit 2003 bei SRF. Ab 2007 war er Mitglied der Inland-Redaktion, von 2014 bis 2019 berichtete er als EU-Korrespondent aus Brüssel. Nun ist er in der Bundeshausredaktion von SRF tätig. Washington hat Soziologie, Geografie und Wirtschaftsgeschichte studiert.

SRF News: Wofür wird Roberto Balzaretti kritisiert?

Oliver Washington: Kritisiert wird er innenpolitisch, dass er in Brüssel vor allem die flankierenden Massnahmen mit zu wenig Nachdruck vertreten habe. Es ist davon auszugehen, dass der Bundesrat am Mittwoch in dieser Sache Entscheide zu den Köpfen an den wichtigsten Stellen fällt. Das wurde mir bestätigt. Es spricht viel dafür, dass ein neuer Chefunterhändler für das EU-Dossier ernannt wird.

Was verspricht man sich von einem Wechsel?

Der Bundesrat muss bei drei umstrittenen Punkten sagen, was er genau fordert: bei den flankierenden Massnahmen, der Unionsbürgerrichtlinie und den staatlichen Beihilfen. Eine Neubesetzung könnte mithelfen, die innenpolitischen Fronten zu bereinigen.

Eine neue Person würde gegenüber Brüssel auch einen gewissen Neustart signalisieren. Das kann wichtig sein, wenn der Bundesrat Forderungen stellen sollte, die über das bisher Diskutierte hinausgehen. Hier wäre eine unverbrauchte Person einfach glaubwürdiger als Balzaretti.

Bei allfälligen zusätzlichen Forderungen wäre eine unverbrauchte Person glaubwürdiger als Balzaretti.

Die EU macht Druck bei Rahmenabkommen. Doch der deutsche Botschafter in der Schweiz signalisierte jüngst Verhandlungsspielraum. Worüber lässt die EU noch mit sich verhandeln?

Die EU zeigte sich immer bereit, auf offene Fragen zu flankierenden Massnahmen, Unionsbürgerrichtlinie und staatlichen Beihilfen einzugehen. Präzisierungen Ja, Nachverhandlungen Nein, hiess es bisher. Nun gibt es offenere Formulierungen. Wie weit die EU bereit ist, auf die Schweiz zuzugehen, hängt wohl wesentlich von den konkreten Forderungen des Bundesrates ab.

Was ist für die EU a priori nicht verhandelbar?

Der deutsche Botschafter sagte bereits, dass Nachverhandlungen über den Kerntext des Abkommens nicht möglich seien. Der Grundsatz der dynamischen Rechtsübernahme ist somit wohl nicht verhandelbar. Auch über die geplante Streitschlichtung mit der dominanten Rolle des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) wird die EU wohl nicht verhandeln. Es geht also um die Frage, welche Bereiche vom Abkommen ausgeklammert werden könnten.

Ein Knackpunkt ist die Unionsbürgerrichtlinie. Welche Interpretationen stehen im Raum?

Die EU ist grundsätzlich der Meinung, dass die Unionsbürgerrichtlinie eine Weiterentwicklung des Personenfreizügigkeitsabkommens ist und die Schweiz diese übernehmen müsse. Der Bundesrat sieht das anders. Weil man sich in dieser politischen Frage nicht einigen könnte, wurde sie aus dem Rahmenabkommen ausgeklammert. Die Schweiz befürchtet, dass sie von der EU gezwungen werden könnte, die Richtlinie zu übernehmen – über die EuGH-Streitschlichtung.

Wie liesse sich diese Unstimmigkeit beheben?

Die beiden Seiten könnten sich darauf einigen, dass es nicht über ein Streitschlichtungsverfahren laufen darf, sondern über politische Verhandlungen. So hätte die Schweiz die Garantie, nicht quasi über die Hintertür die Richtlinie übernehmen müsste. Zuerst muss man jetzt aber wissen, welche Präzisierungen der Bundesrat fordert.

Das Gespräch führte Ivana Pribakovic.

Rendez-vous, 13.10.2020, 12:30 Uhr ; 

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