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Balzaretti zum Rahmenabkommen «Für uns ist Baden-Württemberg alleine so wichtig wie China»

Chefdiplomat Roberto Balzaretti weibelt für das Abkommen mit der EU. An der Uni Bern konnte er durchaus überzeugen.

Roberto Balzaretti, Chef-Unterhändler der Schweiz mit der EU in Sachen Rahmenabkommen, ist auf Tournee. Er hat die Aufgabe, bei den verschiedenen Konsultationen mit den Parteien, Kantonen und Sozialpartnern, das Abkommen zu erklären. Am Montag sprach er vor Studenten der Universität Bern.

Der Appell des Schweizer Chefdiplomaten ist klar: Die Schweiz liegt im Herzen Europas und braucht deshalb unbedingt das Rahmenabkommen. Um dies zu illustrieren, zeigt er eine Karte mit der Schweiz mitten in Europa. «Ich habe in letzter Zeit sehr oft gehört, wir sollten eine Lösung wie Kanada oder Südkorea anstreben. Deshalb zeige ich jeweils diese Karte.»

Leute neben Bundeshaus.
Legende: Roberto Balzaretti weibelt derzeit für das Rahmenabkommen mit der EU. Keystone/Archiv

Balzaretti spricht auch die wirtschaftliche Verflechtung mit der EU an: «Für uns ist Baden-Württemberg alleine so wichtig wie China. Baden-Württemberg und Bayern zusammen sind für die Schweiz so wichtig wie Amerika.» Für 2 Milliarden Franken pro Tag würden die Schweiz und die EU mit Waren und Dienstleistungen handeln.

Rund sechzig Studenten hören aufmerksam zu, wie er ihnen das Rahmenabkommen erklärt, über das Streitschlichtungsverfahren, die staatlichen Beihilfen, den Lohnschutz referiert. Die jungen Frauen und Männer stellen Fragen, über die Auswirkung des Brexit – Antwort eher negativ für die Schweiz – über die EU als Verhandlungspartner – Antwort: fair, aber hart.

Die Schweiz mit ihrem Forschungsstandort hat sicherlich ein Interesse daran, dass die Beziehungen weiterentwickelt und nicht gefährdet werden.
Autor: Studentin

Ob er nicht härter hätte verhandeln können: Antwort: Nein, er verhandle nicht im luftleeren Raum, sondern auf Anweisung des Bundesrates.

Nach der Vorlesung erklären einige Politologie-Studentinnen, es sei informativ gewesen, jemandem zuzuhören, der mit der EU am Verhandlungstisch gesessen sei. Das habe viel geklärt, sagt eine: «Mir ist klarer geworden, was von den Parteien und Medien hervorgehoben wird und um was es effektiv geht.»

Hauptgebäude der Universität Bern.
Legende: Viele Schweizer Studenten möchten gute Verbindungen zwischen der Schweiz und der EU. Austauschprogramme wie Erasmus sind beliebt. Keystone/Archiv

Die Beziehungen zur EU seien durchaus ein Thema, das an der Universität aufmerksam verfolgt würde, meint eine andere. «Die Schweiz mit ihrem Forschungsstandort hat sicherlich ein Interesse daran, dass die Beziehungen weiterentwickelt und nicht gefährdet werden.»

Gerade auf Studierende haben die Beziehungen zur EU oft ganz praktische Auswirkungen: «Aufgrund von Erasmus bin ich nächstes Jahr in Ungarn. Solche Beziehungen sind für Schweizer Studenten sehr lehrreich, um sich international austauschen zu können», so eine Studentin.

Prospekt von Erasmus
Legende: Mehrere Millionen Studenten haben bereits an Erasmus teilgenommen. Keystone/Archiv

Vor fünf Jahren sistierte die EU die Teilnahme der Schweiz am Erasmus-Austauschprogramm sowie am EU-Forschungsprogramm «Horizon 2020». Dies, weil die Schweiz kurz nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative die Ausdehnung der Personenfreizügigkeit auf Kroatien ablehnte. Die heutigen Studierenden möchten nicht aussen vor bleiben. «Ich überlege mir, einen Austausch im Master zu machen. Ohne Rahmenabkommen würde das höchstwahrscheinlich beeinträchtigt werden», sagt eine weitere junge Frau.

Ob die EU-Freundlichkeit der Politologiestudenten an der Uni Bern repräsentativ ist, ist schwierig zu beurteilen. Neue Umfragen zeigen aber grundsätzlich eine positivere Haltung in der Bevölkerung als erwartet. So hat eine Umfrage des Institutes GfS Bern im Auftrag des Verbandes Interpharma ergeben, dass sechzig Prozent der Bevölkerung das Rahmenabkommen mit der EU befürworten. Doch das ist mit Vorsicht zu geniessen: noch wird das Rahmenabkommen mit der EU in eher kleinen Kreisen diskutiert, wie heute an der Universität Bern.

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