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Neuer NDB-Sicherheitsbericht Getarnt als Flüchtlinge: Bund warnt vor russischen Spionen

Der Krieg in der Ukraine dominierte 2022 die Arbeit des Nachrichtendienstes des Bundes in mehreren Bereichen, wie der Jahresbericht zeigt. Der NDB sieht die Schweiz als Geheimagenten-Hotspot und erachtet die Terrorgefahr als erhöht.

Die Bedrohung der Schweiz durch Spionage geht laut Bericht hauptsächlich von Nachrichtendiensten Russlands und Chinas aus. Im Falle Russlands sind die Nachrichtendienstler demnach oft Angestellte von Botschaften und Konsulaten. Sie bewegten sich mit diplomatischer Immunität, rekrutierten und führten ihre Quellen.

Ein Drittel des Botschaftspersonals sind Agenten

Viele europäische Staaten haben letztes Jahr teils Dutzende russische Diplomatinnen und Diplomaten ausgewiesen. Aus der Schweiz ist dies nicht bekannt. Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) schreibt nun: Von den 220 Personen, die in den russischen Vertretungen in Genf und Bern arbeiten, seien wahrscheinlich rund ein Drittel für russische Nachrichtendienste tätig, also über 70.

Die Schweiz gehöre, so schreibt der NDB, europaweit zu jenen Ländern, in denen am meisten russische Nachrichtendienstangehörige eingesetzt würden. Das liege auch an ihrer Rolle als Gaststaat zahlreicher internationaler Organisationen.

Weiterhin erhöhte Terrorbedrohung

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Die Terrorbedrohung bleibt gemäss dem NDB-Jahresbericht erhöht. Sie werde primär von der dschihadistischen Bewegung geprägt. Die Anzahl Gewaltakte habe europaweit zwar abgenommen, hoch bleibe hingegen die Zahl der polizeilichen Interventionen gegen gewaltbereite Islamisten.

Die Flüchtlingsbewegungen aus der Ukraine nach Europa seien von mehreren mutmasslichen Dschihadisten genutzt worden, um nach Europa zu gelangen. «Ein paar wenige Personen» mit einem möglichen Terrorismusbezug seien auch in die Schweiz eingereist und würden vertieft abgeklärt.

Die Terrororganisation «Islamischer Staat» sei weiterhin gewillt, in Europa Anschläge zu planen und durchzuführen. Der IS-Ableger in Afghanistan weise eine neue Dynamik auf, die sich in den nächsten Jahren eher wahrscheinlich auf die Terrorbedrohungslage in Europa auswirken werde.

Europaweit sei die Arbeit russischer Nachrichtendienstler erschwert worden, aber der Krieg eröffne neue Möglichkeiten: So könnten Nachrichtendienste die Fluchtbewegung nutzen, um Agenten getarnt als Flüchtlinge nach Europa zu schleusen. Konkrete Fälle in der Schweiz beschreibt der NDB keine.

Im Ausblick schreibt der NDB, den russischen Nachrichtendiensten stünde in der Schweiz «sehr wahrscheinlich mehr Spielraum zur Verfügung», als in anderen westlichen Staaten.

Cyberangriffe auf kritische Infrastruktur

Zudem bleibe die Bedrohung für kritische Infrastrukturen in der Schweiz erhöht, schreibt der NDB. Eine Bedrohung im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine bleibe aber «sehr unwahrscheinlich». Ein Risiko seien «Spillover-Effekte», etwa Cyberangriffe in Staaten, die die Ukraine unterstützen und somit Auswirkungen auf die Infrastruktur der Schweiz hätten. Der NDB nennt keine Beispiele, denkbar wäre allerdings ein Stromausfall nach einem Hackerangriff in einem Nachbarland, der zu einem grossflächigen Netzausfall führen könnte.

Nicht unterschätzt werden dürften Aktivitäten von nicht staatlichen Akteuren, die sich im Krieg engagieren. Das ist diplomatisch formuliert, gemeint sind wohl private Hackergruppen – aufseiten Russlands oder der Ukraine. Auch wenn hinter Cyberangriffen meist finanzielle Motive stünden, so schliesse dies andere Motive wie Machtpolitik nicht aus, schreibt der NDB. Das erinnert an die Cyberangriffe auf Websites von Bundesbehörden vor kurzem.

Über Tarnfirmen an Schweizer Rüstungstechnologie

Der NDB habe einen Schwerpunkt gelegt, um Güter zu erkennen, die die kriegsführenden Parteien zugunsten einer sanktionierten militärischen Verwendung einsetzen könnten. Das heisst: Die Ukraine und Russland sollen in der Schweiz keine Waffen oder Waffenteile kaufen können, auch nicht über verdeckte Kanäle.

Zunahme linksextremer Gewalt

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Im Bereich des Linksextremismus verzeichnete der NDB vergangenes Jahr 220 Ereignisse – davon 89 gewaltsame. Im Jahr zuvor waren es weniger (2021: 202 und 81). Die Szene organisiere Demonstrationen, verübe gezielt Sachbeschädigungen und Brandstiftungen, setze Sprengvorrichtungen und körperliche Gewalt ein. Ziel physischer Gewalt seien «als rechtsextrem wahrgenommene Personen oder anlässlich von Demonstrationen die Sicherheitskräfte».

Im Bereich des Rechtsextremismus registrierte der NDB 36 Ereignisse (2021: 38), davon 5 gewaltsame (2021: 3). Diese Szene sei vornehmlich mit Treffen, Ausflügen und Plakataktionen aktiv. In einem Fall habe ein Rechtsextremer willkürlich einer Person ins Gesicht geschlagen. In drei Fällen hätten sich Rechtsextremisten mit Gewalt verteidigt, weil sie angegriffen worden waren, so der NDB. Zudem werde in sozialen Netzwerken teils «besonders gewaltverherrlichende Propaganda» verbreitet.

Unter der Bezeichnung «gewalttätiger monothematischer Extremismus» behandelt der NDB derzeit Aktivitäten von Corona- und Tierrechtsextremisten. Im «Coronaextremismus» sind die registrierten Ereignisse rückläufig: 2021 waren es 35, davon 19 gewaltsam, 2022 dann noch total 27, davon 5 gewaltsam. Ein «harter Kern» bleibe vornehmlich online aktiv und habe seine Aufmerksamkeit anderen Themen zugewandt, wie dem Krieg gegen die Ukraine oder dem World Economic Forum. Im Tierrechtsextremismus seien nur wenige mit Gewalt verbundene Ereignisse zu verzeichnen.

Genau dies versuche Russland aber offenbar, wie aus dem NDB-Bericht hervorgeht: «Firmen in den Staaten der Eurasischen Wirtschaftsunion [Armenien, Belarus, Kasachstan, Kirgistan, Russland / Anm. d. Red] treten vermehrt als vermeintliche Endkunden für Waren auf, die dann weiter nach Russland gehen.» Auch die Türkei und Indien würden von Privatpersonen so genutzt, schreibt der NDB. Die Kontrollen müssten daher ausgeweitet werden.

Neben der Prävention von Proliferation in Staaten wie Iran, Nordkorea dominiert neu auch Russland diesen NDB-Bereich. Das dürfte einige Zeit so bleiben. Der NDB führt deshalb auch ein Präventionsprogramm weiter, in dem Schweizer Firmen sensibilisiert werden.

SRF4 News, 26.06.2023, 10 Uhr

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