Seit knapp drei Monaten hat die Schweiz einen neuen Rüstungschef – und der schlägt jetzt erste Pflöcke ein. «Ich mache mir tiefe Sorgen um die Durchhaltefähigkeit der Armee», sagt Urs Loher. Denn seit sich mit dem Krieg in der Ukraine gezeigt hat, dass Schweizer Rüstungsgüter im Ernstfall nicht weitergegeben werden dürfen, wollen Länder wie die Niederlande in der Schweiz kein Kriegsmaterial mehr kaufen.
«Werden zunehmend isoliert»
Für die Schweiz berge dies im Notfall Gefahren, warnt der neue Direktor des Bundesamtes für Rüstung, der früher selber in der Rüstung tätig war. Denn wer für andere kein wichtiger Lieferant sei, laufe Gefahr, im Krisenfall selber nicht beliefert zu werden mit begehrten Rüstungsgütern.
«Wir werden zunehmend isoliert und stehen alleine da. Wir müssen wieder Zugang zu den Lieferantenketten bekommen», sagt Loher gegenüber SRF. «Wir müssen die Schweizer Rüstungsindustrie wieder aufbauen.»
Künftig möchten wir zunehmend vorgeben, in welchen Bereichen zu investieren ist
Dazu will er einerseits Rüstungsgüter vermehrt im Inland beschaffen – dank neuer Regeln sei dies einfacher geworden. Andererseits will er den Hebel bei den sogenannten Offset-Geschäften ansetzen: Vergibt die Schweiz einen grossen Rüstungsauftrag, zum Beispiel für neue Kampfflugzeuge, muss der Lieferant schon heute Gegengeschäfte in der Schweiz tätigen. «Künftig möchten wir zunehmend vorgeben, in welchen Bereichen zu investieren ist», kündigt Loher an.
Gegenseitige Abhängigkeiten sollen entstehen
Es sollen Bereiche sein, die auch für die Schweizer Armee wichtig sind – welche, sollen Studien zeigen. Zudem soll vermehrt in Teile investiert werden müssen, die weltexklusiv in der Schweiz hergestellt werden und auch für andere Länder wichtig sind, «um im Krisenfall ein gewisses Pfand zu haben», sagt Loher. «Wenn wir etwas von den anderen benötigen, können wir auch etwas geben. Wir haben etwas in der Hand, um gegenseitige Abhängigkeiten schaffen zu können.»
So wie dies beispielsweise bei einem Gegengeschäft zum Kauf der FA18-Kampfjets gelang: Eine Glarner Firma produziert seither weltexklusiv Getriebeboxen, ohne die kein FA18-Kampfjet abheben kann.
Völlige Autonomie illusorisch
Die Schweizer Rüstungsindustrie ausbauen: Was der Branche und Bürgerlichen gefällt, hält SP-Sicherheitspolitikerin Priska Seiler-Graf für einen wenig sinnvollen Paradigmenwechsel. Die Schweizer Armee halte sowieso nur wenige Wochen durch, sagt die Zürcher Nationalrätin. «Mit der neuen Strategie macht sie dann vielleicht einen halben Tag später schlapp. Wenn wir autonom werden wollen, müssten wir wahnsinnig viel investieren, das ist nicht finanzierbar und nicht sinnvoll. Wichtiger finde ich mehr Kooperationen mit Europa.»
Auch der neue Rüstungschef hält eine völlige Autonomie für illusorisch. Weniger Auslandsabhängigkeit aber hält er für nötig – und auch ohne Gesetzesänderungen machbar.