«Nein heisst Nein.» Das ist der neue Grundsatz beim Sex, der mit dem neuen Sexualstrafrecht gilt. Es tritt auf Anfang Juli in Kraft, mit einer veränderten Definition der Vergewaltigung: Neu ist es eine Vergewaltigung, ein sexueller Übergriff oder eine sexuelle Nötigung, wenn das Opfer mit Worten, Gesten oder durch Erstarren ausdrückt, dass es mit der Handlung nicht einverstanden ist. Damit sollen Opfer von sexueller Gewalt besser geschützt und Täterinnen und Täter angemessen bestraft werden.
Bei der Polizei hat man sich auf die Änderungen im Sexualstrafrecht vorbereitet, zum Beispiel mit einem E-Learning-Programm, sagt Jürg Wobmann, Präsident der Vereinigung der Schweizerischen Kriminalpolizeichefs. «Es werden die Neuerungen thematisiert, und vor allem die unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale herauskristallisiert.» Diese würden anhand von Fallbeispielen eingeübt.
Mehr Fälle erwartet
Mit der Änderung des Sexualstrafrechts gibt es mehr Offizialdelikte, die von Amtes wegen verfolgt werden müssen. Expertinnen und Experten erwarten darum, dass die Fälle zunehmen werden. Lilian Fankhauser von der Opferhilfe Solothurn: «Wir vermuten, dass mehr Opfer motiviert werden, eine Strafanzeige zu machen.»
Auch Agota Lavoyer, Expertin für sexualisierte Gewalt, rechnet mit einer Zunahme. Sie bleibt aber kritisch: Zwar habe sich der Umgang mit Sexualstraftaten in der Schweiz verbessert, bilanziert sie. «Ich habe aber meine Fragezeichen, ob der politische Wille da ist, wirklich genügend Ressourcen zu sprechen.» Mehr Fälle bedeuteten nämlich auch steigende Kosten bei Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichten.
Ist der politische Wille da, genügend Ressourcen zu sprechen?
Es gebe Opfer, die schlechte Erfahrungen auf dem Polizeiposten machen würden: «Es gibt Unterschiede, je nachdem, an welche Polizistin man gerät», sagt Lavoyer. «Es ist eine Lotterie, und das darf nicht sein.» Lavoyer sieht darin ein gesellschaftliches Problem.
Unterschiede gibt es auch zwischen den Kantonen, dessen ist sich der oberste Kripo-Chef Jürg Wobmann bewusst. «Unser Ziel ist, dass wir eine Harmonisierung hinkriegen, dass ein Opfer dieselben Bedingungen vorfindet.» Dazu habe die Vereinigung Checklisten erarbeitet und Unterlagen für die Schulung.