Bei internationalen Adoptionen ist es zwischen 1970 und 2000 wohl in mehreren Tausend Fällen zu illegalen Praktiken gekommen.
Das zeigt ein Bericht der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW).
Der Bundesrat hat den Bericht zur Kenntnis genommen.
Die Studie untersuchte Adoptionen aus Bangladesch, Brasilien, Chile, Guatemala, Indien, Kolumbien, Korea, Libanon, Peru und Rumänien, wie das Bundesamt für Justiz (BJ) in einer Mitteilung schreibt. Demnach gab es in diesen Herkunftsländern «Hinweise auf illegale Praktiken, Kinderhandel, gefälschte Dokumente und fehlende Herkunftsangaben». Somit sind die seit längerem bekannten Praktiken bei der Adoption von Kindern aus Sri Lanka kein Einzelfall.
So kam es zur jetzigen Studie
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Im Dezember 2020 hatte der Bundesrat den Bericht «Illegale Adoptionen von Kindern aus Sri Lanka: historische Aufarbeitung, Herkunftssuche, Perspektiven» verabschiedet. Darin kam er zum Schluss, dass ein Bedarf an zusätzlicher historischer Forschung bestehe, insbesondere zu weiteren Herkunftsländern. In der Folge wurde eine Bestandsaufnahme der Unterlagen im Schweizerischen Bundesarchiv zu Sri Lanka und weiteren ausgewählten Herkunftsländern gemacht. Ziel: ein erster Einblick in die Geschichte und eine Übersicht über die Quellen illegaler Adoptionen für den Zeitraum von den 1970er-Jahren bis in die 1990er-Jahre. Die 300 Seiten lange Studie der ZHAW liegt nun vor. Damit sollen künftige Forschungsvorhaben erleichtert werden. Auftraggeber war das Bundesamt für Justiz.
Ausgewählt wurden diese Länder, weil aus ihnen Kinder zwecks späterer Adoption in die Schweiz vermittelt wurden. Diese Länder waren entweder angesichts der Zahl der adoptierten Kinder wichtige Herkunftsländer – so Brasilien, Indien und Kolumbien – oder es gab Anzeichen für illegale Adoptionen und Verfahrensproblematiken, wie in der Studie erklärt wird.
Elternwunsch vor Kindeswohl
Die Studie zeigt, dass die Schweizer Vertretungen in den Herkunftsländern der Kinder und die Bundesbehörden in Bern zwar Irregularitäten bemerkten, aber sich jeweils nur für jenen Teil der Adoptionsabläufe zuständig sahen, der sich in ihrem Kompetenzbereich befand. Ausschlaggebend für diese Haltung seien einerseits die komplexen Verfahren mit vielen Involvierten und die unterschiedlichen Rechtsbestimmungen in den verschiedenen Ländern.
Auf der Suche nach einem Kind auf eigene Faust
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Die schweizerischen Vertretungen in Bangladesch, Brasilien, Chile, Guatemala, Indien, Kolumbien, Korea, Libanon, Peru und Rumänien und die Bundesbehörden in Bern haben laut der Studie immer wieder thematisiert, dass eine Mehrzahl der adoptionsinteressierten Paare ohne die Hilfe offizieller Vermittlungsstellen auf eigene Verantwortung im Ausland ein Kind suchte. «Solche Paare umgingen manchmal die Einreiseformalitäten und brachten die Kinder ohne Bewilligung der Fremdenpolizei, ohne, dass ihre Eignung als angehende Pflegeeltern vorgängig durch die Vormundschaftsbehörden abgeklärt wurde, oder ohne gültigen Pass in die Schweiz.»
Adoptionsinteressierte, die sich direkt vor Ort um ein Kind bemühten, seien unter Umständen in Kontakt mit Kinderhandel gekommen. In Peru habe es aus diesem Grund ab 1993 einen Adoptionsstopp gegeben respektive wurde ein Gegenseitigkeitsvertrag mit einer von der ausländischen Regierung bewilligten Vermittlungsstelle verlangt.
Zudem habe eine Überzeugung vorgeherrscht, «dass es die adoptierten Kinder in der Schweiz besser hätten als im Herkunftsland – eine Meinung, die sie mit den künftigen Adoptiveltern und den Vermittlerinnen und Vermittlern teilten», wie die Studienautorinnen schreiben. Von nicht zu unterschätzender Bedeutung sei auch gewesen, dass bei dem stets hohen Nachfragedruck die Anliegen der adoptionswilligen Paare höher gewichtet wurden als die Interessen der Adoptivkinder. Schliesslich wollten die Behörden «aus Angst vor negativer Presse nicht als unmenschlich handelnde Beamtinnen und Beamte gesehen werden, die Kinder zurückschickten».
Bundesrat beauftragt Expertengruppe
Der Bundesrat bedauert nach der Kenntnisnahme der neuen Studie nun, dass die Behörden ihre Verantwortung gegenüber diesen Kindern und ihren Familien nur unzureichend wahrgenommen hätten: «Diese Versäumnisse der Behörden prägen das Leben der damals adoptierten Personen bis heute», heisst es in einer Mitteilung.
Die Kantone seien jetzt dafür verantwortlich, die Betroffenen bei der Herkunftssuche zu unterstützen.
Empfehlungen für die Unterstützung Betroffener
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Ein am 15. November 2023 veröffentlichter Bericht im Auftrag der Konferenz der Kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD) formuliert konkrete Empfehlungen, wie die unterschiedlichen Zuständigkeiten gebündelt und die Betroffenen bei der Herkunftssuche besser unterstützt werden können.
Der Bund will die Kantone bei einer Lösungsfindung begleiten. Um das weitere Vorgehen zu diskutieren, treffen sich auf Einladung von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider Vertreterinnen und Vertreter des Bundes und der Kantone voraussichtlich in der ersten Hälfte 2024 zu einem Austausch.
Um solche Unregelmässigkeiten in Zukunft zu verhindern, brauche es eine Revision des internationalen Adoptionsrechts, so der Bundesrat in einer Medienmitteilung. Deshalb hat der Bundesrat eine Expertengruppe beauftragt, ihm bis Ende 2024 vertiefte Abklärungen für eine Revision vorzulegen.
Prüfung von Moratorium für Adoptionen im Ausland gefordert
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Nach der Veröffentlichung der Studie haben verschiedene Organisationen den Bund aufgefordert, ein Moratorium der Auslandsadoptionen zu prüfen, also ein gesetzlich angeordneter Aufschub von Auslandsadoptionen. Ausserdem müssten sämtliche internationale Adoptionen systematisch aufgearbeitet und die betroffenen Personen bei der Herkunftssuche unterstützt werden. Die Adoptierten hätten das Recht, zu erfahren, ob ihre Adoption illegal war und ob die Behörden ihre Aufsichts- und Schutzpflicht vernachlässigt hätten, teilten vier Organisationen mit, die sich für die Rechte der Betroffenen einsetzen. Dazu gehören Espace A, der Internationale Sozialdienst SSI, Pflege- und Adoptivkinder Schweiz (Pach) und der Suchdienst Schweizerisches Rotes Kreuz.
Die Organisationen fordern unter anderem, dass die Herkunftssuche für alle betroffenen Personen kostenfrei bleibt und dass für deren Betreuung spezifisch geschulte und qualifizierte Personen eingesetzt werden. Weiter brauche es den Aufbau einer sicheren DNA-Datenbasis und die nötigen Rechtsgrundlagen dafür.
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