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Gesundheitsminister Berset: «Die vielen Ansteckungen mit milderen Verläufen sind vielleicht der erste Schritt von einer Pandemie zu einer Endemie»
Aus Tagesschau am Vorabend vom 12.01.2022.
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Omikron-Wand in der Schweiz Naht die Endemie? So berechtigt ist der Optimismus des Bundesrats

Die Schweizer Bevölkerung weist gemäss dem Bundesrat gegen Corona eine Immunität von über 90 Prozent auf. Welches Szenario nun blühen könnte.

Viele Ansteckungen mit milderen Verläufen: Das ist «vielleicht der erste Schritt von einer Pandemie zu einer Endemie». Die Worte von Gesundheitsminister Alain Berset vom Mittwoch lassen Hoffnung aufkeimen.

Dieser Wendepunkt würde bedeuten, dass das Coronavirus laut Berset zwar präsent bleibt, wir aber damit leben können.

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Berset: «Vielleicht sind wir an einem Wendepukt»
Aus News-Clip vom 12.01.2022.
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Hat die Schweiz die Pandemie also bald besiegt?

Epidemie, Pandemie, Endemie – das ist gemeint

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Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) bezeichnet eine Epidemie eine Infektionskrankheit, die «stark gehäuft, örtlich und zeitlich begrenzt auftritt». Als Beispiele dafür nennt Infovac Pest, Cholera, Pocken und Typhus.

Wenn Erkrankungen plötzlich in mehreren Ländern oder sogar Kontinenten und massiv gehäuft auftreten, spricht man von einer Pandemie.

Von einer Endemie ist die Rede, wenn ein Virus – oder auch ein anderer Krankheitserreger, ein Parasit, ein Pilz, ein Bakterium – auf Dauer angekommen ist und nicht mehr weggeht. «In der Regel gibt es dann diese ganz heftigen Wellen nicht mehr und die Krankheitslast ist über die Jahre weg relativ stabil», sagt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel.

Der Bundesrat begründet seinen Optimismus unter anderem mit der Immunität: In allen Altersgruppen über 20 Jahren habe die Schweizer Bevölkerung eine Immunität von mindestens rund 90 Prozent oder mehr erreicht. Bei einer sehr hohen Immunitätsrate zirkuliere Sars-CoV-2 wie andere Viren. Im Detail hat der Gesundheitsminister dazu folgende Zahlen präsentiert:

  • Bei den 20- bis 29-Jährigen beträgt die Immunität über 90 Prozent.
  • Bei den 70- bis 80-Jährigen beträgt die Immunität rund 94 Prozent.
  • Bei den 80-Jährigen und Älteren sind rund 97 Prozent immunisiert.

Zu einem grossen Teil ist die Impfung für die steigende Immunität in der Bevölkerung verantwortlich:

Zum anderen trägt auch eine Ansteckung mit dem Coronavirus und eine Genesung davon zur Immunität bei. Ein kleiner Hinweis darauf, wie hoch die Immunität durch Genesung ist, kann ein Blick auf die gemeldeten Neuinfektionen liefern:

Anzumerken gilt allerdings: Auch mehrfache Corona-Infektionen sind möglich. Und die Dunkelziffer der unentdeckten Ansteckungen ist hoch. Die nationale Taskforce des Bundes nimmt an, dass «die bestätigten Fälle nur einem Drittel bis der Hälfte der tatsächlichen Ansteckungen» entsprechen, wie sie im aktuellen wöchentlichen Bulletin schreibt.

Neue Varianten könnten zum Spielverderber werden

Versprüht der Bundesrat aktuell zu Recht Hoffnung auf ein Ende der Pandemie? SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel sagt es so: «Die Omikronwelle ist – nach allem, was man jetzt weiss – wirklich anders als die Wellen davor.» Sie steige steiler und falle schneller wieder ab. «Und die Krankheitslast ist geringer, relativ zur Gesamtmenge aller Infektionen. Das ist positiv.»

Vergleiche mit Coronaviren aus dem Tierreich sprechen dafür, dass auch Sars-CoV-2 noch Veränderungspotenzial hat.
Autor: Katrin Zöfel SRF-Wissenschaftsredaktorin

Entscheidend sei nun, ob Varianten auftauchen würden, denen eine starke Immunflucht gelinge, sagt Zöfel. «Die also die Immunität umgehen und dann noch einmal viele schwere Verläufe auslösen können.» Von Coronaviren, die im Tierreich zirkulieren, wisse man: Sie sind sehr divers und verändern sich stark. «Das spricht dafür, dass auch Sars-CoV-2 noch Veränderungspotenzial hat.»

Nebst der Option neuer Varianten könnten auch Beta oder Gamma zurückkehren – die hatten schon einmal eine Immunflucht entwickelt, waren dann aber vom viel dominanteren Delta zurückgedrängt worden.

Herdenimmunität: Der Begriff hat ausgedient

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Lange hiess es: Um das Coronavirus zu besiegen, brauche es eine ausreichend hohe Herdenimmunität. Mittlerweile ist der Begriff aus der Mode gekommen. Aus gutem Grund, sagt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel. «Wie viele Menschen immun sein müssen, damit die Herdenimmunität erreicht ist, hängt davon ab, wie ansteckend ein Virus ist. Die neuen Varianten waren jetzt jeweils ansteckender als die davor, also hat sich der Prozentwert, der nötig ist, immer weiter nach oben verschoben, das war kaum noch sauber zu kommunizieren.»

Hinzu komme: Immunität lasse nach. «Es gibt mit der Zeit also ganz viele Menschen, die so halb immun sind, bei denen man gar nicht recht weiss, wie man die zählen soll», sagt Katrin Zöfel. «Das Ziel einer Herdenimmunität, das am Anfang so schön klar klang, wurde immer diffuser und taugt nicht mehr als Orientierungspunkt.» Trotzdem: Im Grunde sei es immer noch genau das, worauf man hinarbeite: «Soviel Immunität, dass die Situation irgendwann nicht mehr so volatil ist wie in den letzten zwei Jahren.»

Gleichwohl gebe es auch positive Signale: «Impfstoffe zielen ja fast alle auf das Spike-Protein. Also auf jenen Teil, den ein Virus benutzt, um in Zellen einzudringen», sagt die Wissenschaftsredaktorin. Wenn das Virus die Spikes verändere und damit eine gute Immunflucht hinbekomme, gehe es gleichzeitig ein Risiko ein: «Nämlich, nicht mehr so gut in die Zellen hereinzukommen, also weniger gut Menschen infizieren zu können. Das spricht dafür, dass der Spielraum des Virus für Veränderung gar nicht mehr so gross ist», sagt Katrin Zöfel. 

Zudem gebe es erste Hinweise, dass die zelluläre Immunantwort – diese fängt schwere Verläufe ab – auch dann gegen Omikron wirke, wenn die Immunität von anderen Varianten stamme. «Wenn sich das erhärtet, heisst das: Die Immunität, die wir schon haben, deckt die Breite der bisherigen Varianten gut ab.» Mit etwas Glück könne das auch für zukünftige Varianten gelten.

Endemie: So könnte es mit Corona weitergehen

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Grippe, Malaria, Schnupfen: Dies sind alles sogenannte endemische Krankheiten. Die Beispiele würden zeigen: Die Spannweite einer Endemie sei gross, sagt SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel. «Die Grippe, die toleriert man, obwohl die Krankheitslast Jahr für Jahr gar nicht so klein ist, und jedes Mal, wenn sich das Grippevirus arg verändert, bekommt man doch wieder höhere Wellen. Malaria ist für viele Länder ein echtes Problem, und man versucht immer noch aktiv dagegen anzugehen, und der Schnupfen ist nun wirklich gar nicht schlimm.»

Wo Corona da zu liegen komme, wisse man noch zu wenig. Und auch dann, wenn das klarer sei, werde es immer noch einen Aushandlungsprozess brauchen, sagt Zöfel: «Wieviel Krankheitslast toleriert man als Gesellschaft und welche Massnahmen sind breit genug akzeptiert, um die Krankheitslast auf dieses Niveau zu drücken?»

SRF 4 News, 12.01.2022, 14:00 Uhr

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