Viele Ansteckungen mit milderen Verläufen: Das ist «vielleicht der erste Schritt von einer Pandemie zu einer Endemie». Die Worte von Gesundheitsminister Alain Berset vom Mittwoch lassen Hoffnung aufkeimen.
Dieser Wendepunkt würde bedeuten, dass das Coronavirus laut Berset zwar präsent bleibt, wir aber damit leben können.
Hat die Schweiz die Pandemie also bald besiegt?
Der Bundesrat begründet seinen Optimismus unter anderem mit der Immunität: In allen Altersgruppen über 20 Jahren habe die Schweizer Bevölkerung eine Immunität von mindestens rund 90 Prozent oder mehr erreicht. Bei einer sehr hohen Immunitätsrate zirkuliere Sars-CoV-2 wie andere Viren. Im Detail hat der Gesundheitsminister dazu folgende Zahlen präsentiert:
- Bei den 20- bis 29-Jährigen beträgt die Immunität über 90 Prozent .
- Bei den 70- bis 80-Jährigen beträgt die Immunität rund 94 Prozent .
- Bei den 80-Jährigen und Älteren sind rund 97 Prozent immunisiert.
Zu einem grossen Teil ist die Impfung für die steigende Immunität in der Bevölkerung verantwortlich:
Zum anderen trägt auch eine Ansteckung mit dem Coronavirus und eine Genesung davon zur Immunität bei. Ein kleiner Hinweis darauf, wie hoch die Immunität durch Genesung ist, kann ein Blick auf die gemeldeten Neuinfektionen liefern:
Anzumerken gilt allerdings: Auch mehrfache Corona-Infektionen sind möglich. Und die Dunkelziffer der unentdeckten Ansteckungen ist hoch. Die nationale Taskforce des Bundes nimmt an, dass «die bestätigten Fälle nur einem Drittel bis der Hälfte der tatsächlichen Ansteckungen» entsprechen, wie sie im aktuellen wöchentlichen Bulletin schreibt.
Neue Varianten könnten zum Spielverderber werden
Versprüht der Bundesrat aktuell zu Recht Hoffnung auf ein Ende der Pandemie? SRF-Wissenschaftsredaktorin Katrin Zöfel sagt es so: «Die Omikronwelle ist – nach allem, was man jetzt weiss – wirklich anders als die Wellen davor.» Sie steige steiler und falle schneller wieder ab. «Und die Krankheitslast ist geringer, relativ zur Gesamtmenge aller Infektionen. Das ist positiv.»
Vergleiche mit Coronaviren aus dem Tierreich sprechen dafür, dass auch Sars-CoV-2 noch Veränderungspotenzial hat.
Entscheidend sei nun, ob Varianten auftauchen würden, denen eine starke Immunflucht gelinge, sagt Zöfel. «Die also die Immunität umgehen und dann noch einmal viele schwere Verläufe auslösen können.» Von Coronaviren, die im Tierreich zirkulieren, wisse man: Sie sind sehr divers und verändern sich stark. «Das spricht dafür, dass auch Sars-CoV-2 noch Veränderungspotenzial hat.»
Nebst der Option neuer Varianten könnten auch Beta oder Gamma zurückkehren – die hatten schon einmal eine Immunflucht entwickelt, waren dann aber vom viel dominanteren Delta zurückgedrängt worden.
Gleichwohl gebe es auch positive Signale: «Impfstoffe zielen ja fast alle auf das Spike-Protein. Also auf jenen Teil, den ein Virus benutzt, um in Zellen einzudringen», sagt die Wissenschaftsredaktorin. Wenn das Virus die Spikes verändere und damit eine gute Immunflucht hinbekomme, gehe es gleichzeitig ein Risiko ein: «Nämlich, nicht mehr so gut in die Zellen hereinzukommen, also weniger gut Menschen infizieren zu können. Das spricht dafür, dass der Spielraum des Virus für Veränderung gar nicht mehr so gross ist», sagt Katrin Zöfel.
Zudem gebe es erste Hinweise, dass die zelluläre Immunantwort – diese fängt schwere Verläufe ab – auch dann gegen Omikron wirke, wenn die Immunität von anderen Varianten stamme. «Wenn sich das erhärtet, heisst das: Die Immunität, die wir schon haben, deckt die Breite der bisherigen Varianten gut ab.» Mit etwas Glück könne das auch für zukünftige Varianten gelten.