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Organtransplantation Rechtskampf eines Organspenders dreht weitere Runde

Wer ein Organ spendet, sollte abgesichert sein. Doch ein Gerichtsfall zeigt: Spender müssen um ihr Recht kämpfen.

Was ist passiert? Ein Mann spendete seiner Schwester eine Niere. Bei der Operation erlitt er eine Nervenschädigung und kann deshalb seither nicht mehr Vollzeit arbeiten. Die Krankenkasse seiner Schwester zahlte ihm Geld für den Lohnausfall. Doch dann wechselte die Schwester ihre Krankenversicherung und die neue Kasse wollte nicht mehr zahlen.

Langwieriger Rechtsstreit: Der Organspender wehrt sich – jahrelang. Doch es ist ein Gesetzes- und Instanzen-Dschungel. Das Bundesgericht hat nun in einem Leiturteil entschieden, dass der Spender zwar keinen Anspruch auf Erwerbsersatz nach dem Krankenkassenrecht hat – sehr wohl aber nach dem Transplantationsgesetz. Dafür aber sei das Bundesverwaltungsgericht zuständig. «Nach zehn Jahren ist nur gerade klar, dass ein anderes Gericht zuständig ist», sagt der Anwalt des Spenders, Kaspar Gehring.

Lebendspende

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Nieren und Teile der Leber können von einer lebenden Person zu einer kranken Person transplantiert werden. Jährlich gibt es in der Schweiz rund 110 solcher Lebendspenden. Es wird dabei unterschieden zwischen einer gerichteten Spende, bei der jemand einer bestimmten Person ein Organ spenden will – etwa der Schwester –, und einer nicht gerichteten Spende an eine anonyme Person. Weil die Entnahme von Leberteilen ein Risiko für die spendende Person darstellt, werden in der Schweiz nur «gerichtete» Leber-Lebendspenden durchgeführt. Langzeitschäden durch eine Organspende – wie im aktuellen Fall – sind glücklicherweise aber selten. In anderen Ländern wird diskutiert, ob Lebendspender für ihre gute Tat bezahlt werden sollen. Diese Kontroverse wird früher oder später wohl auch die Schweiz erreichen.

Quelle: Swisstransplant

Bundesrat wollte Spender nicht belasten: Organe sind heiss begehrt, Spender werden verzweifelt gesucht. Wenn Spender Nachteile haben, könnte das die Spenderrate senken. Der Bundesrat schrieb deshalb schon 2013 in einer Botschaft zur Änderung des Transplantationsgesetzes, ein Lebendspender sollte keine finanziellen Belastungen durch die Spende tragen müssen.

Frau mit roter Kiste vor Helikopter
Legende: Gespendete Organe sind eine wertvolle Fracht. Umso sorgfältiger sollte man mit den Lebendspendern umgehen – sagt auch der Bundesrat. KEYSTONE/Gaetan Bally (Symbolbild

Auch das Bundesgericht findet Organspende wichtig: Laut dem höchsten Gericht der Schweiz besteht ein grosses öffentliches Interesse daran, dass genügend menschliche Organe zur Verfügung stehen. Es sei daher wichtig, dass ein Lebendspender finanziell gut abgesichert sei, das könne nämlich auch die Spendebereitschaft fördern. Das wiederum liege auch im Interesse der Krankenkassen, da die alternativen Behandlungen bei Nieren- und Leberkrankheiten teurer seien als eine Transplantation.

Bei der Umsetzung hapert es: Der Gesetzgeber wollte Spender schadlos halten. «Man sagt der Bevölkerung, ihr seid abgesichert, wenn bei einer Spende etwas passiert», sagt Gehring. Bei kurzen Arbeitsausfällen oder ganz grossen Erwerbsausfällen sei das dank Sozialversicherungen auch der Fall. «Aber mein Klient fällt zwischen Stühle und Bänke: Er ist zu wenig eingeschränkt, um IV zu bekommen, aber zu stark eingeschränkt, um zu arbeiten wie früher.» Dass es bei der Durchsetzung des klaren politischen Willens hapere, findet Gehring schade. «Und für meinen Klienten ist es nervenaufreibend.»

Sogar das Bundesgericht wirkt ratlos: Vier Abteilungen haben sich zunächst bei einer Sitzung getroffen, bevor eine der Abteilungen dann ein Urteil fällte. «So etwas habe ich noch nie gesehen», sagt Gehring. Das Bundesgericht habe in diesem Entscheid mehr Fragen offengelassen, als es beantwortet habe.

Das sagt ein Transplantationsexperte: «Ich finde es eine Katastrophe, wenn ein Spender so lange warten muss, bis er den Ausfall ersetzt bekommt», sagt der Transplantationsmediziner Thomas Müller von Swisstransplant. Spender seien Altruisten, die etwas extrem Gutes täten. Das Gesetz stelle deshalb den Spenderschutz eigentlich an oberste Stelle. «Der Lebendspender muss kompensiert werden – und das lebenslang.» Müller findet, die Schweiz habe die Lebendspende im Vergleich zu anderen Ländern vorbildlich geregelt. Zum Glück gebe es nur wenige Streitfälle.

Bundesgericht 9C_121/2024

rec. 17.7.2025, 17 Uhr;liea

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