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Overtourism Touristenansturm in Como – was Lugano anders macht

Der Comer See ist zu einem regelrechten Touristen-Hotspot geworden. Nun reagieren die Behörden mit Beschränkungen. Nur unweit ennet der Grenze auf Schweizer Seite zeigt sich ein anderes Bild: Lugano setzt auf Klasse statt Masse.

Bahnhof Como San Giovanni, an einem Samstagmittag im Hochsommer: Der Zug aus Mailand spuckt Hunderte Touristinnen und Touristen aus.

Auch Coleen und Traver aus Australien stehen etwas verloren auf dem Perron. Sie machen eine mehrwöchige Europareise. Da dürfe der Comer See nicht fehlen, sagt Coleen. «Wir wussten nur, dass es hier schön sein muss.»

Die ganze Welt kommt hier vorbei.
Autor: Einheimische aus Como

Sie wollen weiter nach Bellagio. Tabhita aus London ist mit ihren Schwestern angereist, um ihren Geburtstag zu feiern. Auch ihr Ziel: Bellagio. Doch das erweist sich als schwieriger als gedacht. Die Warteschlange für das Schiff scheint endlos, dabei ist dieses schon längst voll.

Ein lächelndes Paar posiert mit Koffern auf einer gepflasterten Strasse im Freien.
Legende: Coleen und Traver aus Australien machen eine mehrwöchige Europareise. Da darf der Comer See nicht fehlen. Iwan Santoro / SRF

Eine Einheimische beobachtet das Treiben schmunzelnd: «Die ganze Welt kommt hier vorbei, aber die Stadt ist nicht vorbereitet.» Noch vor wenigen Jahren sei das hier ganz anders gewesen. Eigentlich sei es erst nach der Coronapandemie so ausgeartet. Auch wegen George Clooney und Brad Pitt. Aber es sei halt schon so, sagt die Rentnerin aus Como, der See sei speziell, malerisch.

Zulassungsbeschränkungen und Maximalgrössen

Die Tourismuszahlen in Como sind regelrecht explodiert – nun reagieren die Behörden: Nur noch 1200 Personen dürfen pro Tag in die berühmte Villa del Balbianello. Dort wurden Filme wie der Bondklassiker «Casino Royale» oder «Star Wars» gedreht. Auch die Stadt Como zieht die Reissleine. Reisegruppen in der Stadt sind neu auf 25 Personen begrenzt. Dennoch bleibt Como am Anschlag – mit über 4.8 Millionen Übernachtungen jährlich.

Menschen stehen in einer Schlange auf einem gepflasterten Platz.
Legende: Überall warten und anstehen. Bis zu drei Stunden warten Touristinnen und Touristen aus aller Welt in Como auf das Schiff nach Bellagio. Iwan Santoro / SRF

Der Bürgermeister von Como zeigt sich dennoch gelassen. In einem RSI-Interview sagte er kürzlich: «Ich wohne im Zentrum von Como, und wenn ich diese vielen Menschen sehe, macht mich das glücklich. Niemand will an einem Ort leben, den niemand besuchen will.»

Qualität statt Quantität: das Tessin als Alternative

Ganz anders präsentiert sich die Situation rund um den Luganersee. Auch hier herrscht mediterranes Klima. Aber Menschenschlangen und Gedränge gibt es hier kaum, auch nicht an einem Hochsommertag.

Massimo Boni, Tourismusdirektor der Region Lugano, sagt, man setze auf Qualität statt Quantität. Auch biete man Outdoor-Angebote an, biken, wandern, das sei die Stärke der Region Lugano. Und natürlich investiere Lugano in Kunst und Kultur. Ein Kulturzentrum wie das LAC und Museen wie das MASI könne Como nicht bieten, so Boni.

Wir setzen auf Qualität statt Quantität.
Autor: Massimo Boni Tourismusdirektor Lugano Region

Lugano verzeichnete in den letzten Jahren immer knapp eine Million Übernachtungen – die Zahlen sind stabil. Das heisst aber nicht, dass Lugano nicht mehr Touristen will.

Passagierschiff anlegen an einem Pier auf einem See.
Legende: Kein langes Anstehen für einen Bootsausflug auf dem Luganersee. Auch im pittoresken einstigen Fischerdorf Gandria sind die Gassen nicht überfüllt. Iwan Santoro / SRF

So umwirbt die Region Lugano gezielt Reiseveranstalter, welche Como im Angebot haben. Damit will man Gäste von Como nach Lugano bringen. Auf die Tagestouristen aber könne man verzichten, meint Boni.

Kein George-Clooney-Effekt?

Einen George Clooney habe man in Lugano zwar nicht, meint Massimo Boni, dafür andere berühmte Gäste, diese seien eben nur diskreter. Doch davon wissen Touristinnen in Como wenig. Auf Lugano angesprochen, zuckt Tabhita aus London nur mit den Schultern: «Noch nie gehört. Aber wenn ihr das besser auf Instagram bewerben würdet – mit Influencern, so wie hier – dann würden bestimmt mehr Leute kommen.»

Das macht Lugano bereits: etwa mit einer bekannten Influencerin aus Saudi-Arabien. Nur bis nach London haben es die Videos wohl noch nicht geschafft.

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Echo der Zeit, 23.7.2025, 18 Uhr; sten

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