Die P26 (Projekt 26) war eine geheime Kaderorganisation im Kalten Krieg. Sie hätte zur Aufrechterhaltung des Widerstandswillens in einer besetzten Schweiz gedient. Im Zuge der Aufarbeitung der Affäre um die erste Bundesrätin überhaupt, Elisabeth Kopp (1984 bis 1989 im Amt), stiessen parlamentarische Untersuchungskommissionen (PUK) auf 900’000 Fichen der Bundespolizei und damit auch auf die so genannte Geheimarmee. Damit wurde die P26 enttarnt. Susi Noger war eines der jüngeren Mitglieder. Im Ernstfall hätte sie als Funkerin gedient. Ihr Deckname war «Tina».
SRF News: Wie sind Sie damals zu P26 gekommen?
Susi Noger: Das Prinzip war, dass jemand, der bereits Mitglied war, ein anderes Mitglied anwarb. Bei mir war es der Götti meines Mannes, der mich fragte, ob ich zu so etwas bereit wäre.
Im Ernstfall wären Sie Funkerin geworden. Wurden Sie für diese Funktion schon ausgebildet?
Die Grundausbildung, die meines Wissens alle Mitglieder durchlaufen haben, fand im grossen Bunker im Schweizerhof in Gstaad statt. Sie war eher allgemeiner Art. Ich erhielt am Ende dieser Grundausbildung schon die ersten Begriffe fürs Funken.
Wie war das mit den Decknamen? Haben Sie «Tina» selbst ausgewählt oder wurde Ihnen der Name zugeteilt?
Der wurde zugeteilt, ich konnte nicht auswählen.
Es entstand grosse öffentliche Aufregung, als eine PUK 1990 die Fichen der Bundespolizei durchforstet und auf dabei auf die P26 stiess. Wie haben Sie das damals erlebt?
Sie sprechen von der Zeit der Auflösung, als die Enttarnung schon vorgenommen worden war. Man war sich gewöhnt, nichts zu sagen. Das galt besonders auch für jene Zeit, als im Freundes- oder Kollegenkreis Diskussionen stattfanden.
Wo gearbeitet wird, geschehen Fehler, aber es ist wirklich seltsam, dass die Akten verschwunden sind.
Man ärgerte sich, weil man wusste, es war genau nicht so, wie behauptet wurde. Aber wir waren da noch an die Geheimhaltung gebunden.
Die Schweizer Geheimarmee P-26
Empfinden Sie die Einstellung, die Sie während des Kalten Krieges hatten, rückblickend als zu extrem oder sagen Sie: «Wir haben damals alles richtig gemacht»?
Es ist immer leicht, 30 Jahre später über richtig und falsch zu urteilen, weil man weiss, wie es herausgekommen ist. Ich würde nicht die Adjektive richtig oder falsch wählen.
Wir arbeiteten mit den Mitteln der damaligen Zeit gegen die Bedrohung der damaligen Zeit.
Ich stehe nach wie vor zu meiner damaligen Einschätzung und für mich war der Kalte Krieg nicht ein Konstrukt oder ein Hirngespinst. Es war eine reale Bedrohung. Mir imponierte, dass die Schweiz selbst eine Idee kreierte, um dem Fall einer Besetzung durch die russische Armee – das war das Szenario – etwas entgegenzusetzen.
Die Aufarbeitung wirkt etwas harzig. Zum einen sind ganze Aktenberge verschwunden, anderes ist immer noch geheim. Wie komplett ist denn dieses P-26-Puzzle tatsächlich?
Ich bin nicht Historikerin und kann das abschliessend nicht beurteilen. Die verschwundenen Akten sind aber hochnotpeinlich. Das zementiert das Bild, dass etwas im Geheimen genuschelt worden sei. Wo gearbeitet wird, geschehen Fehler, aber es ist wirklich seltsam, dass die Akten verschwunden sind. Ich bin froh, dass zum Beispiel durch eine Dissertation, die kürzlich erschienen ist, die Faktenlage unaufgeregt aufgearbeitet wurde.
Rückblickend zusammengefasst: Es wurde viel erzählt, es gab unglückliche Zufälle, es gibt Akten, die verschwunden sind, aber eigentlich war es eine gute Sache?
Das könnte ich so unterschreiben. Wir arbeiteten mit den Mitteln der damaligen Zeit gegen die Bedrohung der damaligen Zeit. Diese wären heute anders. Aber ich würde es wieder tun.
Das Gespräch führte Salvador Atasoy.