Hoteldirektor Diego Glaus führt durch den Park seines Hotels in Losone. Über 400 Palmen wachsen hier. Es ist eine der grössten privaten Palmenanlagen der Schweiz. «Viele Gäste buchen bei uns gerade wegen dieser mediterranen Atmosphäre», erklärt Glaus.
Das Tessin ohne Palmen ist wie die Toskana ohne Zypressen – unvorstellbar»
Doch diese Idylle ist bedroht: Die Palmmotte, ein invasiver Schädling, breitet sich rasch aus – und könnte schon bald auch seinen Park befallen. Und das mache ihm Sorgen. «Die Palme ist eine Ikone für das Tessin. Das Tessin ohne Palmen ist wie die Toskana ohne Zypressen – unvorstellbar».
In der Gemeinde von Glaus – in Losone – wurden erste Befälle bereits registriert, noch ist seine Anlage verschont geblieben. Auf der nahegelegenen Insel Brissago, bekannt für ihren botanischen Garten, ist der Falter jedoch längst angekommen.
Kurator Alessio Maccagni musste bereits zwölf historische Tessinerpalmen fällen. Einige davon standen wohl bereits seit den 1930er-Jahren. Nun versuche man die anderen Palmen mit biologischen Mitteln zu behandeln, um sie vor der Motte zu schützen.
Der Falter frisst sich ins Herz der Palme
Die Palmmotte wurde vor rund zwei Jahren erstmals im Tessin entdeckt. Sie wurde vermutlich durch importierte Palmen eingeschleppt. Das Insekt legt seine Eier in der Palmkrone ab. Die schlüpfenden Larven fressen sich direkt ins Pflanzenherz. Die Folge: Innerhalb weniger Wochen stirbt die Palme ab.
Palmenexperte Vincent Fehr von der Forschungsanstalt WSL in Cadenazzo sieht mit Sorge, was in Südfrankreich bereits Realität ist: «Dort hat die Palmmotte innerhalb eines Jahrzehnts die chinesische Hanfpalme – auch bekannt als Tessinerpalme – fast vollständig ausgerottet.» Dasselbe drohe nun der Südschweiz.
Das Brisante: Die Tessinerpalme selbst gilt in der Schweiz als invasiv, da sie einheimische Arten verdrängt. Seit 2024 ist das Neupflanzen gesetzlich verboten. Der Schädling wird daher mancherorts fast schon als «natürlicher Helfer» gesehen.
Fehr warnt aber vor dieser Sichtweise: «Wir dürfen nicht alles dem Insekt überlassen». Wenn sich die Palmmotte zu schnell ausbreite, würden in den Wäldern zu viele Palmen zu schnell vernichtet, das destabilisiere die Hänge, denn im Tessin gebe es viele Schutzwälder. Zudem gehörten die Palmen zum Tessin. Sie seien Teil der Kulturlandschaft, so Fehr.
Bund hält sich zurück – Gemeinden werden aktiv
Ein chemisches Pflanzenschutzmittel, das in Frankreich und Italien gegen die Palmmotte erfolgreich eingesetzt wird, ist in der Schweiz bislang nicht zugelassen. Laut dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit BLV ist bisher kein entsprechender Antrag eingegangen, wie es auf Anfrage von SRF heisst. Derzeit darf nur ein biologischer Wirkstoff verwendet werden.
Für Hoteldirektor Diego Glaus ist das unverständlich: «Wir brauchen jetzt Hilfe. Sonst ist es bald zu spät.» Er wünscht sich mehr Entschlossenheit von Bundesbern.
Hoffnung auf resistente Sorten
Die Gemeinde Ronco sopra Ascona und die Insel Brissago unterstützen immerhin ein Forschungsprojekt der WSL, das auf widerstandsfähigere Palmenarten setzt. Diese sollen nicht nur der Palmmotte trotzen, sondern auch im Tessiner Klima gedeihen. Im Frühling sollen auf einem Testfeld erste Setzlinge gepflanzt werden.